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Freitag, 31 Mai 2024 13:00

Brief aus England

von
Geschätzte Lesezeit: 6 - 11 Minuten
Abb. 1 oben: Ein Feld voller unverkaufter E-Fahrzeuge in China. Man beachte das hohe Unkraut, das dort gewachsen ist.  Abb. 1 oben: Ein Feld voller unverkaufter E-Fahrzeuge in China. Man beachte das hohe Unkraut, das dort gewachsen ist. Foto: Nach realer Vorlage (Bloomberg) KI-generiert

 

Elektroautos: Wo ist die Liebe hin?

Was ist mit der Nachfrage nach E-Fahrzeugen passiert? Nach Angaben des Magazins Auto Trader werden fast 80 % der Elektroautos in England mit einem Preisnachlass auf den Listenpreis verkauft, ein Anstieg von 55 % im Jahr 2023. Dieser Preisnachlass liegt jetzt bei rekordverdächtigen 11 %. Europaweit ist der Absatz von Elektroautos im März um ca. 11 % zurückgegangen. Die britische Regierung hat verbindliche Ziele festgelegt, wonach 22 % aller Pkw-Verkäufe in Großbritannien in diesem Jahr auf E-Fahrzeuge entfallen müssen, die dann bis 2025 auf 28 %, 2030 auf 80 % und 2035 auf 100 % steigen. Die meisten Experten glauben, dass es unmöglich sein wird, diese Ziele zu erreichen. Was würde die Regierung dann tun?

Tesla verkaufte im Jahr 2023 1,8 Mio. Pkw, hat aber vor kurzem mehrere tausend (10 %) seiner Mitarbeiter entlassen, und die Tesla-Aktien haben in diesem Jahr bisher 40 % ihres Wertes verloren. Die Gewinne von Tesla in den ersten drei Monaten des Jahres 2024 waren mit 1,13 Mrd. Dollar weniger als halb so hoch wie im gleichen Zeitraum des Jahres 2023, wo sie 2,51 Mrd. Dollar betragen haben, während chinesische Elektroautohersteller ebenfalls Tausende von Mitarbeitern entlassen haben und über riesige Lagerbestände an unverkauften Elektroautos verfügen. Abbildung 1 zeigt, was heute ein alltäglicher Anblick in China ist: ein Feld voller unverkaufter E-Fahrzeuge, die schon so lange dort stehen, dass das Unkraut um die Pkws herum wuchert.

Diese E-Fahrzeuge werden nie verkauft werden. Was wird also mit ihnen geschehen? Es gibt sogar komplette Pkw-Fabriken in China, die jetzt ungenutzt herumstehen. In einigen europäischen Häfen stehen ebenfalls Tausende von Pkw, die darauf warten, verkauft zu werden. Einige stehen schon so lange dort, dass sich Schimmel in ihnen gebildet hat. Trotzdem sind die chinesischen Pkw-Exporte exponentiell gestiegen, wie Abbildung 2 dargestellt.gt 2024 05 217Abb. 2: Chinesische PkW-Exporte wachsen exponentiell

Vor diesem ungünstigen Hintergrund richten sich alle Augen auf den relativ kleinen US-Automobilhersteller Rivian. Seine Aktien haben bis zu 179 US-Dollar gekostet. In jüngster Zeit wurden sie für nur 9 US-Dollar gehandelt! Rivian produzierte im letzten Jahr 57.000 Fahrzeuge und verlor mit jedem verkauften Fahrzeug zwischen 30.000 und 40.000 Dollar. Rivians Pkws wurden hoch gelobt, für die Innenausstattung wird veganes Leder für Sitze und Verkleidung verwendet. Abbildung 3 zeigt das Modell R1S. Rivian Elektroautos haben eine Reichweite von ca. 500 km und beschleunigen von 0-100 km/h in ca. 3 Sekunden. Aber was vielleicht am wichtigsten ist, sie werden für ca. 45.000 US-Dollar oder sogar weniger verkauft. Rivian hat auch einen Auftrag über 100.000 Lieferwagen für Amazon. Man wünscht diesem tapferen Unternehmen alles Gute – aber die US-Börse scheint das eher düster zu sehen. Warum bleibt die Liebe so vieler Autokäufer in den USA und Europa zu E-Fahrzeugen aus? Ich glaube nicht, dass jemand eine Antwort darauf weiß.gt 2024 05 218Abb. 3: Rivian Modell R1S

 

Solarzellen – eine weitere chinesische Geschichte?

Im Jahr 2023 stammen 97 % aller in Europa installierten Photovoltaikmodule aus China. Im Rahmen des „Green Deal Industrial Plan“ der EU sollten 40 % der Solarzellen in der EU hier in Europa hergestellt werden, um bis 2030 eine Kapazität von 672 GW zu erreichen. Es scheint nun sehr unwahrscheinlich, dass dies erreicht werden kann. Die Situation bei den Solarmodulen ist der bei den Pkws sehr ähnlich. China produziert weit mehr Solarmodule als die Welt abnimmt.
Einer Schätzung zufolge lagern derzeit 90 GW an in China hergestellten Solarmodulen in Lagerhäusern in der EU und warten auf ihren Verkauf. Einem Bericht der Internationalen Energieagentur zufolge werden weltweit Solarpaneele mit einer Leistung von 400 GW/Jahr installiert. Chinesische Fabriken haben jedoch eine Produktionskapazität von 1100 GW/Jahr.

Einer der größten chinesischen Hersteller, Longi, hat kürzlich 30 % seiner Mitarbeiter entlassen. Ein Vorteil für die Kunden ist, dass sich der Preis für Solarmodule aufgrund dieser Überproduktion in den letzten Jahren etwa halbiert hat. In Indien hat Sagar Adani, der CEO der Firma Adani Green Energy, bereits 54 Solarparks gebaut, weitere 12 sind im Bau. Der größte von ihnen wird eine Leistung von 30 GW haben und eine Fläche der fünffachen Größe von Paris einnehmen. Abbildung 4 zeigt einen der Adani-Solarparks. Soweit ich weiß, gibt es hier in Europa oder sogar in den USA nichts von vergleichbarer Größe.gt 2024 05 219Abb. 4: Ein großer Solarpark in Indien

 

Eine Frage an unsere Regierungen

Ich habe versucht zu zeigen, wie die Chinesen einige unserer wichtigsten Technologiemärkte erobern. Es gab Anschuldigungen, dass die chinesische Regierung die Ausfuhr dieser Produkte still und heimlich subventioniert – sogenannte „unlautere Handelspraktiken“. Was kommt nach den Pkw und den Solarzellen als nächstes? Die Antwort kennen wir mit ziemlicher Sicherheit – Wärmepumpen.

Die Technologie des Krieges

Vor fünf Jahren genossen wir noch die sogenannte „Friedensdividende“, weil man der Meinung war, dass kein Krieg drohte und die Regierungen daher in der Lage waren, die Militärausgaben zu senken. Heute ist das – leider – nicht mehr der Fall, und Großbritannien gehört zu den westlichen Nationen, die ihre Militärausgaben erhöhen, die 2,5 % des BNP erreichen werden. Natürlich wird ein Teil davon an Unternehmen der Galvanotechnik gehen. Da Militärexperten die Kämpfe in der Ukraine und im Nahen Osten beobachten, können sie die Leistung verschiedener Waffen beurteilen. Der Iron Dome in Israel hat gezeigt, dass über 90 % der Luftangriffswaffen, sowohl Drohnen als auch Raketen, abgewehrt werden können. Politiker haben festgestellt, dass es in Europa keine solchen Systeme gibt, und fragen, ob das sinnvoll ist. Obwohl sich der israelische Iron Dome als äußerst erfolgreich erwiesen hat, kostet jeder einzelne Verteidigungsschuss ca. 50.000 Euro oder mehr. Israel entwickelt derzeit ein laserbasiertes System, und ich habe bereits über das britische Pendant DragonFire geschrieben, bei dem ein Laserstrahl von ca. 50 kW Temperaturen von ca. 3000 °C erzeugt (Abb. 5). Diese Laserwaffen könnten die Art und Weise, wie Luftkriege geführt werden, völlig verändern, nicht zuletzt, weil jeder „Schuss“ gerade einmal 10 Euro kostet.gt 2024 05 220Abb. 5: Die Hochleistungs-Laserwaffe „DragonFire“

Jetzt erfahren wir von der Entwicklung eines völlig neuen Waffentyps. Soldaten der britischen Armee werden eine Hochleistungs-Hochfrequenzwaffe erproben, die die Elektrizitätsversorgung des Gegners ausschalten und seine militärischen Operationen stören kann, ohne dass er die Ursache des Problems kennt. Im Rahmen des Projekts Ealing haben Wissenschaftler in den Hochsicherheits-Forschungslabors von Porton Down eine Waffe entwickelt, mit der stromabhängige Geräte wie Computer, Telefone und Drohnen ausgeschaltet werden können. Experten verglichen die Technologie mit der aus dem Film Ocean's Eleven, in dem Kriminelle ein Gerät namens „The Pinch“ benutzen, um sich Zugang zu einem Tresorraum in Las Vegas zu verschaffen. In dem Film löst das Gerät einen starken elektromagnetischen Impuls aus, der das Stromnetz der Stadt für kurze Zeit lahmlegt. Die von britischen Wissenschaftlern entwickelte Technologie ist darauf ausgelegt, bestimmte Ziele wie Drohnenschwärme oder die Kommunikation zwischen feindlichen Einheiten auszuschalten. Tatsächlich beruht die neue Technologie auf denselben Prinzipien.

Matt Cork, Experte für gerichtete Energiewaffen am Defence Science and Technology Laboratory, verglich die Technologie mit einem Vorschlag­hammer, der Schaltkreise außer Kraft setzen und sein Ziel mit so viel Energie wie möglich treffen kann, um „die Technologie auszuschalten“. In einem Briefing für Journalisten erklärte er: „Stellen Sie sich einen Raum voller Computer oder eine Telefonzentrale vor – alles, was von elektrischen Strömen durchflossen wird, kann man stören.“ Matt Cork beschrieb, wie die Hochfrequenzwaffe, die auf einem Lkw montiert und von der 7. Luftverteidigungsgruppe ab dem Sommer erprobt werden soll, den Feind mit nicht-tödlichen Mitteln und ohne eine tatsächliche Explosion ins Visier nehmen soll. Er erklärte wie: „Wenn wir Dinge von außen ausschalten, traut der Feind seiner eigenen Ausrüstung nicht mehr. Das schafft ein Element des Zweifels an seiner Fähigkeit, seine Ausrüstung zu benutzen, wenn er sie braucht.“ Die Waffe erzeugt einen elektromagnetischen Impuls, der sich mit den elektronischen Schaltkreisen des Ziels verbindet, sie überlastet und so die Geräte ausschaltet.

Zu den denkbaren Szenarien gehört die Verladung der Waffe auf ein Armee­fahrzeugs und ihr Einsatz zum Schutz eines Stützpunkts vor Drohnen­angriffen oder zum Schutz eines Konvois vor Bedrohungen aus der Luft. Wissenschaftler haben die Auswirkungen der Technologie auf Herzschrittmacher untersucht und befürchten, dass sie deren Funktionsfähigkeit unterbrechen könnte.

 

Neue Quellen für Lithium

Lithium ist ein Schlüsselmetall in einer grünen Wirtschaft und bis vor kurzem kam das meiste Lithium aus China. In den letzten Monaten wurden vielversprechende Ergebnisse bei der Gewinnung von Lithium aus der heißen Thermalsole am Martignano-See in der Nähe von Rom erzielt. Italien hat viele Vulkanseen, und es ist gut möglich, dass auch andere eine Quelle des „Weißen Goldes“ sein könnten. Daran arbeiten das australische Unternehmen Altamin in Zusammenarbeit mit dem italienischen Unternehmen Iren. Wenige Kilometer davon entfernt hat ein weiteres australisches Unternehmen, die Firma Vulcan, in der Nähe der Stadt Cesano ebenfalls Schürfungen vorgenommen. Diese Unternehmen verwenden Pumpen, die in der Regel 200 m3 Sole pro Stunde fördern, aus denen 20 kg Lithium gewonnen werden. Die Sole wird dann wieder in den Boden eingespritzt. Geologen erkunden auch die Gegend um Sacrofano und den Braccianosee. Portugal verfügt über weitere europäische Lithiumvorkommen, obwohl es derzeit nur 1 % des weltweiten Bedarfs produziert. Europa verfügt auch über Lithiumreserven in Island, der Tschechischen Republik und in England. Obwohl keine dieser Vorkommen so reichhaltig sind wie die in Südamerika, stellen sie doch eine wertvolle und strategische Reserve dar.

Biocomputer verbindet Zucht-Hirngewebe mit elektronischer Hardware

Wissenschaftler haben eine kritische Lücke zwischen Biologie und Elektronik überbrückt. In einer aktuellen Studie wird ein hybrider Biocomputer beschrieben, der im Labor gezüchtetes menschliches Hirngewebe mit herkömmlichen Schaltkreisen und künstlicher Intelligenz kombiniert. Das „Brainoware“ genannte System lernte, Stimmen mit 78 % Genauigkeit zu erkennen. Es könnte eines Tages zu Siliciummikrochips führen, die mit Neuronen verschmolzen sind. Brainoware kombiniert Hirnorganoide – aus Stammzellen gewonnene Cluster menschlicher Zellen, die zu mit Neuronen gefüllten „Mini-Gehirnen“ umgebaut werden – mit herkömmlichen elektronischen Schaltkreisen. Die Forscher haben ein einzelnes Organoid auf eine Platte gesetzt, die Tausende von Elektroden enthält, um das Gehirn mit elektrischen Schaltkreisen zu verbinden. Die Schaltkreise, die mit dem Hirnorganoiden sprechen, übersetzen die Informationen, die sie eingeben wollen, in ein Muster von elektrischen Impulsen. Das Gehirngewebe lernt dann und kommuniziert mit der Technologie. Ein Sensor in der elektronischen Anordnung erfasst die Reaktion des Mini-Gehirns, die ein trainierter Algorithmus für maschinelles Lernen entschlüsselt. Mit anderen Worten: Mit Hilfe der KI verschmelzen die Neuronen und die Elektronik zu einer einzigen (vorerst sehr einfachen) problemlösenden Biomaschine.

Die Forscher brachten dem Computer-Gehirn-System bei, menschliche Stimmen zu erkennen. Sie trainierten Brainoware mit 240 Aufnahmen von acht sprechenden Menschen und „übersetzten die Audiosignale in elektrische Signale, die an den Organoiden weitergeleitet wurden“. Der organische Teil reagierte auf jede Stimme anders und erzeugte ein Muster neuronaler Aktivität, das die KI zu verstehen lernte. Brainoware lernte, die Stimmen mit 78 % Genauigkeit zu identifizieren.

Das Team betrachtet die Arbeit eher als Konzeptnachweis denn als etwas, das in naher Zukunft praktische Anwendung findet. Obwohl frühere Studien gezeigt haben, dass zwei­dimensio­nale Neuronenzellkulturen Ähn­liches leisten können, ist dies der erste Versuch mit einem ausgebildeten dreidimensionalen Klumpen menschlicher Gehirnzellen. Das könnte auf eine Zukunft biologischer Datenverarbeitung hindeuten, in der die „Geschwindigkeit und Effizienz menschlicher Gehirne“ eine KI mit Superkräften hervorbringt. (Was soll schon schiefgehen?)

Arti Ahluwalia, biomedizinischer Ingenieur an der italienischen Universität Pisa, ist der Ansicht, dass die Technologie mehr Licht auf das menschliche Gehirn werfen wird. Da Hirnorganoide das Kontrollzentrum des Nervensystems in einer Weise nach­bilden können, wie es einfache Zellkulturen nicht können, sieht der Forscher Brainoware (und die weiteren Fortschritte, die es hervorbringen könnte) als Hilfe bei der Modellierung und Untersuchung neurologischer Erkrankungen wie Alzheimer. Zu den Herausforderungen der bizarren Proto-Cyborg-Technologie gehört es, die Organoide am Leben zu erhalten, vor allem wenn sie in die komplexeren Bereiche gebracht werden, in denen Wissenschaftler sie schließlich einsetzen wollen. Die Gehirnzellen müssen in einem Inkubator wachsen, was bei größeren Organoiden auch zu einer Herausforderung werden könnte. Dann gilt es, herauszufinden, wie sich Hirnorganoide an komplexere Aufgaben anpassen, und sie so stabiler und zuverlässiger zu konstruieren

Quellen: Nature 624, 481 (2023) und https://fisherp.mit.edu/wp-content/up­loads/2024/01/d41586-023-03975-7.pdf

 

 

 

 

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