Die europäische Leiterplattenindustrie 2023

Die europäische Leiterplattenindustrie 2023

Die wachsende Abhängigkeit von China war den Unternehmen zwar bewusst, wurde aber ignoriert. Das änderte sich jedoch mit dem Ausbruch von Covid, denn die politischen Entscheidungen in China wurden zunehmend restriktiver, nahmen Einfluss auf die Materialverfügbarkeit und die Lieferketten. Die Konsequenz war, dass westliche Unternehmen versuchten, sich aus dieser Umklammerung zu lösen und die Lieferquellen verlagerten. China + 1, Near- oder Reshoring sind Konzepte, die jetzt verfolgt werden, aber die Abhängigkeit nur mildern, nicht beseitigen. Leider ist die europäische Leiterplattenindustrie in den letzten Jahren stark geschrumpft, insbesondere, weil hiesige Verbraucher die ehemals vorhandene Lieferbasis mit unrealistischen Preisforderungen und Bedingungen zerstört haben. Von einem Weltmarktanteil von 14 % im Jahr 2000 sind inzwischen nur etwas über 2 % übriggeblieben.

Knapp drei Viertel der 2023 in Europa verbliebenen Hersteller kommen nur auf einen Jahresumsatz von weniger als 10 Mio. €, dabei haben lediglich sechs Unternehmen ein Produktionsvolumen von mehr als 50 Mio. €. Im Vergleich zu den Riesenfirmen in Asien, von denen der größte einen Jahresumsatz von knapp 6 Mrd. $ erreicht, sind das ‚Zwerge '.

Tab. 1: Die Entwicklung der deutschen Leiterplattenindustrie
 

Hersteller

Umsatz Mio. €

Mitarbeiter

2000

555

4.775

44.657

2005

341

2.750

24.975

2010

292

1.957

17.826

2015

247

1.815

16.461

2020

191

1.513

14.989

2023

164

1.690

14.852

Der rigorose Ausleseprozess führte gezwungenermaßen zu einer Fokussierung der Hersteller – entweder auf die belieferten Branchen oder auf die angebotenen Technologien und Dienstleistungen.

Dass relativ wenige Produzenten doch beachtenswerte Umsätze erzielen können liegt an der Kundenstruktur. Ein hoher Anteil im Medizinbereich (Schweiz), in Luft- und Raumfahrt (Frankreich, Großbritannien und Italien) oder Militärtechnik (Frankreich, Großbritannien und Italien). Das (wenig profitable) Massengeschäft in den Sektoren Automobil- und Industrieelektronik wird vorwiegend von Deutschland und Österreich beliefert.

Innerhalb Europas sind in Deutschland die meisten Leiterplattenhersteller angesiedelt; diese produzieren 40 % des gesamten europäischen Volumens, gefolgt von Österreich und der Schweiz mit insgesamt knapp 20 %. Gerade die letzten Jahre haben gezeigt, dass der Versorgungssicherheit eine immer größere Bedeutung zukommt. Das machen die wirtschaftspolitischen Entscheidungen der jüngsten Vergangenheit (z. B. Ansiedlung von Halbleiterproduktion) deutlich.

Tab. 2: Hersteller, Anzahl und Umsatz je Land 2023
 

Hersteller

Mio. €

Deutschland

44

675

Österreich + Schweiz

7

327

Italien

30

203

Belgien + Frankreich

16

165

Großbritannien

33

155

Zentraleuropa

20

79

Spanien

9

48

übrige W.-Europa

5

37

Gesamt

164

1689

Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Europas lässt allerdings befürchten, dass 2024 für viele Unternehmen zum Schicksalsjahr werden könnte. Im Vergleich zum Vorjahr ging der Auftragseingang im deutschsprachigen Raum im 1. Quartal 2024 um 37,5 % zurück. Erste Stimmen erwarten eine erkennbare Verbesserung der Lage erst zum Jahreswechsel 2024/25.

Da die Leiterplattenindustrie nicht im Blickfeld der Politik steht, muss die Initiative bei den jeweiligen Geschäftspartnern liegen. Diese müssen enger zusammenarbeiten, längerfristige Vereinbarungen treffen und mehr Vertrauen zueinander haben. Früher gab es die Regel, dass für jedes Bauteil mindestens zwei Lieferanten zugelassen sein müssen, die nicht nur als ‚Notnagel' dienten. Ein Hersteller in der Nähe kann beratend zur Seite stehen und die fertige Leiterplatte kostengünstiger und/oder qualitativ besser fertigen.

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  • Ausgabe: Mai
  • Jahr: 2024
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