Im Gegenteil! - Einsteins Einheit

Im Gegenteil! - Einsteins Einheit

Wenn man sagen soll, wer Albert Einsteins großes Vorbild in der Geschichte der Physik gewesen sein kann, liegt man ziemlich richtig, wenn man den Schotten James Maxwell nennt, der es im 19. Jahrhundert fertiggebracht hat, Elektrizität und Magnetismus als Einheit zu verstehen, die man heute Elektromagnetismus nennt. Maxwell konnte dabei Licht als Bewegung einer elektromagnetischen Welle beschreiben, mit der es ein Problem gab, als Einstein mit dem Studium der Physik begann. Die Erklärung von Bewegungen gehörte eigentlich in das Gebiet der Mechanik, das Isaac Newton begründet hatte, nur passte seine Theorie nicht mit der von Maxwell zusammen.

Das Licht, das der Schotte elektromagnetisch hervorgebracht hatte, bewegte sich mit einer konstanten Geschwindigkeit, die bei Newton nicht vorgesehen war. Einsteins Verlangen, die beiden Theorien zu vereinheitlichen, führte ihn zu der Aufstellung der Speziellen Relativitätstheorie und der ­Vereinheitlichung der Grundgrößen Raum und Zeit zu einer Raumzeit. Hiervon hatte übrigens schon Alexander von Humboldt eine Ahnung entwickelt. Ihm war beim Betrachten des nächtlichen Sternenmeers aufgefallen, dass sein Blick in den Kosmos nicht nur in den Raum, sondern auch in die Zeit geht, sieht man doch die Sterne nicht so, wie sie jetzt sind, sondern wie sie waren, als das Licht von ihnen ausging. Eigentlich sollte man erwarten, dass Einstein sich über jede Einheit freut, die man bei zwei Teilen ausfindig machen kann, aber zuletzt war das Gegenteil der Fall. 1935 hat er versucht, die von ihm zwar initiierte, aber ungeliebte Quantenmechanik als unvollständig zu entlarven, weil sie zwei mikroskopische Objekte, die einmal in Wechselwirkung gestanden hatten, auch dann als Einheit beschrieb, wenn sie sich weit voneinander entfernt hatten. Zwei atomare Existenzen blieben durch etwas verbunden – sie bildeten ein Ganzes, das mess­technisch über keine Teile verfügte –, das man mit dem hübschen Wort „Verschränkung“ bezeichnete und für dessen Nachweis der Nobelpreis des Jahres 2022 vergeben worden ist. Einstein wetterte zeitlebens gegen diese Wechselwirkung, die er als „spukhafte Fernwirkung“ verspottete. Als Newton das Fallen eines Apfels auf die Erde als Anziehungskraft von Massen erklärte, musste das im 17. Jahrhundert auch als spukhafte Fernwirkung verstanden werden, aber nur, bis Maxwell mit der Idee von Feldern die beiden Objekte – den Apfel und die Erde – durch eine Nahwirkung verbinden konnte. Sie steht bei der Verschränkung noch aus.

 

  • Ausgabe: Juli
  • Jahr: 2023
  • Autoren: Ernst Peter Fischer
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