Das Lieferkettengesetz kommt: ein Schritt in die richtige Richtung

Das Lieferkettengesetz kommt: ein Schritt in die richtige Richtung

Deutschland hat ein Lieferkettengesetz. Nach Uneinigkeiten zwischen den Frak tionen und starkem Gegenwind von Industrieverbänden wie BDI und BDA geriet das Lieferketten gesetz seit Sommer 2020 immer wieder zwischen die Konfliktlinien und wurde zuletzt Mitte Mai kurzfristig von der Tagesordnung des Bundestages genommen. Heute verabschiedete der Bundes tag nun das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten”. Damit tritt es 2023 in Kraft.

„Zwar konnten sich die herkömmlichen Industrie- und Wirtschaftslobbyverbände mit ihren Forde rungen zur Abschwächung des Lieferkettengesetzes teilweise durchsetzen. Dennoch ist die Verab schiedung des Gesetzes ein absolut wichtiger Schritt in die richtige Richtung – hin zu mehr sozialer und ökologischer Verantwortung in der Lieferkette,“ resümiert Dr. Katharina Reuter, Geschäfts führerin des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft.

Bis zuletzt haben sich Lobbygruppen wie der BDI, BDA und DIHK gegen das Lieferkettengesetz aus gesprochen. Auf Bestreben des Wirtschaftsministeriums wurde die zivilrechtliche Haftung nun vollkommen ausgeschlossen. Klaus Stähle, Fachanwalt für Arbeitsrecht und BNW-Vorstand ord net ein: „Der Kompromiss zum Lieferkettengesetz mit dem Ausschluss zivilrechtlicher Haftung hat einen faden Beigeschmack. Zwar ist eine Haftung deutscher Firmen im Ausland durch das BGB vorgegeben, doch nur in seltenen Fällen werden die Betroffenen dieses Recht wahrnehmen. Eine explizite Erwähnung im Gesetz hätte deutlich mehr Wirkung gezeigt.“

Was Unternehmen ab 2023 für die Einhaltung von Menschenrechten tun müssen

Das ab 2023 in Kraft tretende Lieferkettengesetz wird zunächst für Unternehmen mit Sitz oder Zweigniederlassung in Deutschland ab 3.000 Mitarbeitende gelten, ab 2024 dann für Unterneh men ab 1.000 Mitarbeitende. Für Unternehmen unter 1.000 Mitarbeitenden bedeutet dies, dass sie weiterhin keine Rechtssicherheit oder den entsprechenden Handlungsspielraum bekommen.

Vom Lieferkettengesetz betroffene Unternehmen sind dazu verpflichtet, bei ihren direkten Zulie ferern Risiken zu ermitteln, die international anerkannte Menschenrechte und bestimmte Um weltstandards (in Bezug auf die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte) verletzen oder gefährden könnten. Für identifizierte Risiken müssen Unternehmen Gegenmaßnahmen im plementieren sowie an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) berichten. Bei nachgewiesenen Verstößen werden Bußgelder verhängt und Unternehmen können bis zu drei Jahre lang von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden. Bei indirekten Zulieferern sind deutsche Unternehmen hingegen nur bei Kenntnisnahme über mögliche Risiken und Ver stöße zu Nachbesserungen angehalten.

Als „ein Stück Rechtsgeschichte“ beschreibt Arbeitsminister Hubertus Heil das Lieferkettengesetz vor der Abstimmung im Parlament. „Unseren Wohlstand können wir nicht dauerhaft auf der Aus beutung von Menschen aufbauen.“

Verzerrte Darstellung

In seiner heutigen Rede fand Entwicklungsminister Dr. Gerd Müller klare Worte für das „extrem starke Lobbying“ gegen das Lieferkettengesetz: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu“ – diesen Spruch möchte ich auch in den Büros der Arbeitgeberpräsidenten und -verbände in Deutschland hängen sehen.“

Entgegen der von Industrieverbänden bewusst verzerrten Darstellung, dass in Deutschland ansäs sige Unternehmen durch das Gesetz einem hohen Risiko ausgesetzt würden, ist es vielmehr so dass deutsche Unternehmen bei Menschenrechtsverletzungen nicht haften, sofern sie alle mögli chen und angemessenen Maßnahmen ergriffen haben. Mit dem Lieferkettengesetz wird keine Er folgspflicht, sondern eine Bemühungspflicht zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen für die Unternehmen durchgesetzt. Zu den vielfach heraufbeschworenen Mehrkosten: Die Studie der EU-Kommission1 schätzt für große Unternehmen die Kosten auf durchschnittlich 0,005 Pro zent ihrer Gewinne. Allerdings zeigen Praxiserfahrungen, dass auch mit höheren Steigerungen der Mehrkosten im Einkauf in den ersten Jahren zu rechnen sein kann (Risikoerfassung, Anpassung der Lieferkette). Hier müssen allerding die Kosten für die Unternehmen in Beziehung zu den Kos ten für die gesamte Gesellschaft gesetzt werden. Jüngste Beispiele von deutschen Unternehmen (Tönnies, VW-Dieselskandal, Wirecard) zeigen, wie die gesellschaftlichen Kosten durch unethi sches Wirtschaften in die Höhe getrieben werden – mit gravierenden negativen Auswirkungen auf das Gütemerkmal made in Germany.

Für nachhaltig wirtschaftende Unternehmen ist die gesetzliche Verankerung von unternehmeri schen Sorgfaltspflichten ein wichtiger Meilenstein, da es ihre Grundwerte und jahrelangen, frei willigen Investitionen als zukunftsweisend anerkennt. Durch die Beschränkung auf sehr große Un ternehmen werden viele kleine und mittelständische nachhaltige Unternehmen weiterhin Wett bewerbsnachteile haben.

Denn dass es auch anders geht, zeigen viele der BNW-Mitgliedsunternehmen: So haben sich VAUDE Sports GmbH & Co. KG, Wildling Shoes GmbH und Sono Motors GmbH mit weiteren Un ternehmen in der BNW-Kampagne #transparentesWirtschaften für ein starkes Lieferkettengesetz eingesetzt und setzen die Anforderungen des Gesetzes bereits jetzt erfolgreich in ihrer Lieferkette um.

Ein Etappenerfolg

Das zivilgesellschaftliche Bündnis Initiative Lieferkettengesetz mit über 128 Organisationen wertet das Gesetz als Etappenerfolg und politischen Kompromiss. Sie fordern die Bundesregierung neben Nachbesserungen dazu auf, sich für ein starkes und wirkungsvolles Lieferkettengesetz auf EU Ebene einzusetzen. Im legislativen Initiativbericht des Rechtsausschusses des EU-Parlaments ge hen die Anforderungen weit über das deutsche Gesetz hinaus. Sollte die Europäische Kommission diesen Empfehlungen folgen, muss die Bundesregierung das deutsche Lieferkettengesetz an vie len Stellen nachbessern, um Menschenrechte und Umwelt umfassend zu schützen.

1 British Institute of International and Comparative Law, Civic Consulting and London School of Economics: Study on due diligence re quirements through the supply chain, Studie im Auftrag EU-Kommission, 01/2020

Image

Eugen G. Leuze Verlag GmbH & Co. KG
Karlstraße 4
88348 Bad Saulgau

Tel.: 07581 4801-0
Fax: 07581 4801-10
E-Mail: info@leuze-verlag.de

 

Melden Sie sich jetzt an unserem Newsletter an: