ZOG-Seminar Korrosion aus verschiedenen Perspektiven

ZOG-Seminar Korrosion aus verschiedenen Perspektiven

Für Oberflächen Beschichter ist klar, dass Korrosion mehr als „Rost“ ist. Die jährlichen Schäden durch Korrosion betragen 3–4 % des Bruttoinlandsprodukts. In Deutschland liegt der jährliche der Schaden bei 110–140 Mrd. EUR und weltweit bei 2,9 Bill. EUR [1, 2]. Das Interesse war groß und das Seminar im Platinsaal des fem (Forschungsinstitut für Edelmetall- und Metallchemie) in Schwäbisch Gmünd war unter den geltenden Corona Regeln ausgebucht. In 2 Tagen konnten sich die Teilnehmer:innen über Ursachen und Folgen von Korrosion sowie über Korrosionsvermeidung, Korrosionsprüfungen und Korrosionsschutz informieren. Das fem öffnete hierzu seine Laborräume für einen Einblick in die Praxis der Korrosionsprüfungen.

Korrosion ist von dem lateinischen Wort „corrodere“ abgeleitet und bedeutet zersetzen, zerfressen, zernagen [3]. Die Definition in der DIN ISO 8044:2015 lautet: „Korrosion ist die physikochemische Wechselwirkung zwischen einem Metall und seiner Umgebung, die zu einer Veränderung der Eigenschaften des Metalls führt und die zu erheblichen Beeinträchtigungen der Funktion des Metalls, der Umgebung oder des technischen Systems, von dem dieses einen Teil bildet, führen kann.“ Hinter dieser komplizierten Beschreibung verbirgt sich ein einfacher Ablauf:

  • der Vorgang = Korrosionsreaktion

  • das Ergebnis = Korrosionserscheinung

  • der Schaden = Korrosionsschaden

Die Ursache der Korrosion ist ein Naturgesetz, wonach alle Elemente dem energetisch günstigsten Zustand zustreben. Unedle Metalle kommen in der Natur in den Erzen zumeist als Oxide vor. Diesen Zustand streben sie auch nach der Verarbeitung an. Ungeschützte Metalle reagieren somit mit ihrer Umgebung, mit Wasser und Sauerstoff, um ihren energetisch günstigeren Zustand einzunehmen. Die Neigung zur Korrosion lässt sich an der elektrochemischen Spannungsreihe ablesen. Negatives Potential steht für höhere Neigung zur Korrosion. Und so ist es logisch, dass Edelmetalle auf der positiven Seite der Spannungsreihe zu finden sind.

Das Thema Korrosion trat erneut in den Mittelpunkt, als die Verwendung von Chrom VI verboten wurde. Alternative Schichtsysteme mussten gefunden werden und der Aufbau der Schichten neu überdacht werden. Im Seminar wurden an vielen Beispielen die Ursachen für Korrosion sowie die Möglichkeiten Korrosion zu messen und zu verhindern betrachtet. In Tabelle 1 sind die bekannten Korrosionsarten aufgeführt.

Tab. 1: Korrosionsformen und die dazugehörigen Untersuchungsmethoden [4]
Korrosionsform Untersuchung Bemerkung
Flächenkorrosion Massenverlust gleichmäßig schnell
Muldenkorrosion Massenverlust nicht gleichmäßig
Loch- (Spalt-) korrosion Tiefe (Mikroskop)  
Interkristalline Korrosion Mikroskopie (Schliff, Bruch) Gusseinschlüsse lösen sich auf
Spannungsrisskorrosion Zugversuch mechanische Einflüsse
Kontaktkorrosion Elektrochemie durch Kontakt verschiedener Metalle
Strömungskorrosion Rotierende Scheibe / Zylinder bewegte Flüssigkeiten
Selektive Korrosion Mikroskopie (Schliff)  

Abb. 1: Dichte der Feldlinien und Schichtdickenverteilung [4]Abb. 1: Dichte der Feldlinien und Schichtdickenverteilung [4]Es ist das erste Ziel, Korrosion zu vermeiden. Die Möglichkeiten Produkte direkt aus korrosionsbeständigen Materialien zu fertigen ist aus technischen und wirtschaftlichen Gründen nur begrenzt möglich, so dass eine vor Korrosion schützende Schicht erforderlich ist. Galvanotechnisch werden unterschiedliche Möglichkeiten ausgeschöpft, einen Schichtaufbau zum besten Korrosionsschutz zu erzeugen. Dazu dient neben der Abscheidung von Reinelementen die Abscheidung von Legierungen. In Tabelle 2 ist eine Auswahl an Reinelementen und Legierungen aufgeführt, die angepasst an Grundmaterialien und Produktanforderungen galvanisch abgeschieden werden. Neben dem Schichtaufbau führt eine galvanogerechte Konstruktion und Fertigung zu mehr Korrosionsschutz. Entsprechend der Dichte der elektrischen Feldlinien gibt es an einem Bauteil Stellen hoher und Stellen niedriger Stromdichte. Schematisch ist der Schichtaufbau in Abhängigkeit der Feldliniendichte in Abbildung 1 aufgezeigt. Unter Berücksichtigung dieses physikalischen Grundsatzes kann bei der Konstruktion von Bauteilen eine gleichmäßige Beschichtung erzielt werden, indem bei der Geometrie z. B. Hinterschneidungen, Sacklöcher oder Bohrungen vermieden oder wenigstens auf ein Minimum reduziert werden.

Abb. 2: Einflussgrößen aus dem Beschichtungsverfahren [4]Abb. 2: Einflussgrößen aus dem Beschichtungsverfahren [4]

ZOG Abbildung3Abb. 3: Massenteile: optimierte Teilegeometrie [4]

Weitere Einflussgrößen ergeben sich aus dem Beschichtungsverfahren selbst, vgl. Abbildung 2, und der Kontaktierung der Teile. Größere Teile werden auf geeigneten Gestellen galvanisiert, auf denen sie von der Vorbehandlung bis zum Trocknen durch den Prozess geführt werden. Ein gutes Schichtergebnis wird erzielt, wenn die Teile fest kontaktiert sind, eine gleichmäßige Feldlinienverteilung gesichert ist, Blasen ungehindert entweichen können und aus wirtschaftlicher Sicht der Gestellraum optimal ausgenutzt wird. Massen- und Kleinteile werden üblicherweise in Trommeln beschichtet. Mit einfachen Überlegungen bei der Teilekonstruktion kann die Schichtdickenverteilung optimiert werden, Beispiele hierfür sind in Abbildung 3 gezeigt.

Tab. 2: Metalle und Metalllegierungen die galvanisch abgeschieden werden [4]Tab. 2: Metalle und Metalllegierungen die galvanisch abgeschieden werden [4]

Der Korrosionsschutz von Stahl ist nach wie vor von großer Bedeutung. Beschichtungen aus Zink, Zink-Nickel und inzwischen auch Chrom aus Cr (III)-Verfahren spielen eine Rolle, die je nach Anforderungen Topcoats erhalten, versiegelt oder passiviert werden.

  • Topcoats: Schichtdicken > 3 µm; z. B. Dünnschicht- oder Einbrennlacke, KTL-Beschichtungen

  • Versiegelungen: < 2 µm; z. B. anorganische oder organische oder Mischsystem aus Beiden

  • Passivierungen: 0,05–1 µm; Umwandlungsschichten aus z. B. Cr (III)- oder Co (II)-Lösungen

Versieglungen und Passivierungen werden zumeist im Nass-in-Nass-Verfahren direkt im Anschluss an den Beschichtungsprozess aufgebracht. Sie werden je nach Anwendung des Bauteils und der aufgebrachten Beschichtung gewählt und sie

  • verbessern die optischen Eigenschaften der Oberflächen

  • erhöhen den Korrosionsschutz und die Beständigkeit im Salzsprühnebeltest

  • verbessern die Kratzfestigkeit und die Antifingerprinteigenschaften

  • schützen vor mechanischer Belastung

  • ermöglichen die gezielte Einstellung von Reib- und Gleiteigenschaften.

ZOG Abbildung4Abb. 4: Beispiel einer Prüfkammer und möglichen Prüfbedingungen [4]Ein wichtiger Baustein bei der Vermeidung von Korrosionen sind Prüfverfahren, mit deren Hilfe in kurzer Zeit aus standardisierten Laboranordnungen Aussagen über die Korrosionseigenschaften von Produkten, Bauteilen und Oberflächen gewonnen werden. Sie dienen weiterhin zur Qualitätsüberwachung in laufenden Prozessen oder nach Prozessumstellung und zur Qualitätskontrolle bei der Entwicklung oder Optimierung von Schutzsystemen zu deren Freigabe.

Eine realistische Aussage liefert die Frei-Bewitterung. Ihre wesentlichen Nachteile sind die Dauer von 3–10 Jahren und die eingeschränkte Aussagekraft, die sich auf das Gebiet und die Bedingungen der Frei-Bewitterung bezieht. Dennoch werden für Langzeitstudien Frei-Bewitterungs-Prüfungen durchgeführt, um das Korrosionsverhalten in natürlicher Umgebung zu untersuchen. Laborprüfungen führen deutlich schneller zu Ergebnissen und finden unter standardisierten Bedingungen statt, was eine Vergleichbarkeit sicherstellt und sie so für die Qualitätskontrolle qualifiziert.

Bei den Laborprüfungen unterscheidet man zwischen

  • Korrosions- und Korrosionswechselprüfungen

  • Korrosions-Klimawechselprüfung und Sonderprüfungen

  • Klima- und Klimawechselprüfungen

Zu allen Prüfverfahren gibt es eine Reihe DIN-Vorschriften, aus denen die, dem Problem angepassten ausgewählt werden, falls sie nicht, wie beispielsweise bei Automobilteilen, vorgegeben sind.

Abb. 5: Ablauf einer Korrosionsprüfung im Labor [4]Abb. 5: Ablauf einer Korrosionsprüfung im Labor [4]Damit die Prüfungen zu den gewünschten vergleichbaren Ergebnissen führen, sind die DIN-Vorschriften exakt einzuhalten. Insbesondere muss darauf geachtet werden, dass sich die Teile in der Prüfkammer nicht gegenseitig beeinflussen, dass die zeitlichen Abläufe, Temperatur oder die Zusätze in den Testlösungen genau eingehalten werden. Einige Prüfungen setzen zuvor die Einbringung einer künstlichen Fehlstelle voraus. Eine Prüfkammer mit möglichen Prüfbedingungen ist in Abbildung 4 gezeigt. Zusätzlich müssen die Kammern in regelmäßigen Abständen Funktionsprüfungen mit standardisierten Prüfblechen und vorgegebener Bewertung ausgesetzt werden. Zur Bewertung der Prüfkörper wird der Zustand vor und nach der Prüfung dokumentiert und anhand von tabellierten Vorgaben z. B. zu Blasengrad, Rost Grad, Enthaftung z. B. an den künstlichen Fehlstellen, Abblätterungsgrad oder nach Kundenvorgabe bewertet. In Abbildung 5 ist schematisch der Ablauf eines Labortestverfahrens aufgezeigt. Nach diesem theoretischen Einblick in die Laborprüfverfahen hatten die Teilnehmer:innen Gelegenheit Prüfkammern in den Laborräumen des fem anzusehen und Antworten auf offen gebliebene Fragen zu erhalten.

Nach so viel Theorie war es interessant einige Beispiele aus dem täglichen Bereich der Schadensanalyse des fem zu erfahren. Neben Stahl ist Aluminium ein viel verwendeter Werkstoff, der zum Schutz vor Korrosion anodisiert wird und so eine Eloxalschicht erhält (ELOXAL = Elektrolytische Oxidation von Aluminium) oder mit einer Lackschicht überzogen wird. In den Abbildungen 6 und 7 sind Beispiele gezeigt, wenn das Grundmaterial Poren und Risse aufweist, wodurch die Eloxalschicht nicht den nötigen Schutz bilden kann, oder an einer beschädigten Lackschicht Korrosion auftritt.

Abb. 6: Fallbeispiel Korrosion an Fensterprofilen, Lochkorrosion an einer Eloxalschicht [4]Abb. 6: Fallbeispiel Korrosion an Fensterprofilen, Lochkorrosion an einer Eloxalschicht [4]

Abb. 7: Korrosion durch Streusalz [4]Abb. 7: Korrosion durch Streusalz [4]

Im Zuge des Prozesses zum Verbot von Cr (VI) ist das PVD-Verfahren (PVD = „Physical Vapour Deposition“ oder übersetzt „Physikalische Gasphasenabscheidung“) als alternatives Verfahren stärker in den Vordergrund gerückt sowohl für den Korrosionsschutz als auch für dekorative Zwecke. Vor diesem Hintergrund bietet sich ein Vergleich des PVD- mit dem galvanischen Verfahren an. Die wesentlichen Unterschiede sind die Aggregatzustände, in denen die Verfahren durchgeführt werden. Galvanisiert wird in wässrigen Elektrolyt-Lösungen oder in weniger bekannten Fällen in aprotischen Lösungen. PVD findet in der Gasphase unter reduziertem Druck statt. Dies spiegelt sich im Spektrum der Materialien wider, die in beiden Verfahren abgeschieden werden können (vgl. Tab. 3) und damit verbunden in den Schichteigenschaften.

Tab. 3: Typische Schichtsysteme [4]Tab. 3: Typische Schichtsysteme [4]

Im galvanischen Prozess werden dichte und kristalline Schichten von 0,1–1000 µm abgeschieden. Die Schichten verursachen überwiegend Zugspannungen, aber auch Druckspannungen oder spannungsfreie Schichten sind möglich. Die Einebnung kann gezielt eingestellt werden, dagegen sind nur die jeweiligen Metallfarben und Schwarz möglich. Mit Legierungselementen können Farbe und Härte beeinflusst werden. Es können Metalle, die im Elektrolyten beständig sind sowie Kunststoff, Keramiken, eingeschränkt Textilien, nach vorheriger Einstellung der Leitfähigkeit beschichtet werden. Umfangreiche Vorbehandlungen – Entfetten, Beizen und Aktivieren sind erforderlich. Der galvanische Prozess ist relativ einfach, ermöglicht selektive Beschichtungen und je nach Geometrie der Teile, Waren- oder Elektrolytbewegung werden mehr oder weniger gleichmäßige Schichtdicken abgeschieden. Eine Abwasserbehandlung ist erforderlich.

Im PVD-Verfahren werden Schichtdicken von 0,1 – ca. 10 µm erreicht, Hartstoffschichten fallen in den Bereich von ca. 3 µm. Es werde kristalline und amorphe Schichten mit meist hoher Druckspannung erzielt, die sich durch eine hohe Härte auszeichnen. Es kann eine umfangreiche Farbpalette eingestellt werden, jedoch ist keine Einebnung möglich und häufig treten Defekte in den Schichten auf. Es können Materialien beschichtet werden, die im Vakuum nicht gasen, hierzu zählen: Metalle, Hartmetalle, Keramiken, viele Kunststoffe, Gläser und eingeschränkt Textilien. Vor der Beschichtung müssen Passivschichten entfernt werden, was meist in demselben Verfahren durchgeführt werden kann. Mit einer relativ anspruchsvollen Anlagentechnik und einem energieintensiven Vakuumverfahren entstehen kaum Abfälle. Es ist keine Substratleitfähigkeit erforderlich, für eine gleichmäßige Beschichtung ist Warenbewegung, üblicherweise durch Rotation erforderlich.

Vergleicht man letztendlich die Vor- und Nachteile der beiden Verfahren zeigt es sich, dass sie nebeneinander existieren. Wie in Tabelle 4 aufgeführt ist, sind die Vorteile des einen Verfahrens die Nachteile des anderen und umgekehrt.

Tab. 4: Galvanotechnik – PVD / Vor- und Nachteile gegenübergestellt [4]Tab. 4: Galvanotechnik – PVD / Vor- und Nachteile gegenübergestellt [4]

Im Hinblick auf Korrosionsschutz sind die sehr harten und dekorativen Schichten für sich betrachtet korrosionsbeständig. Aufgrund ihrer übrigen Eigenschaften schützen sie das Grundmaterial nicht vor Korrosion. Schichtsysteme aus galvanischen und PVD-Schichten führen ergänzend zu gutem Korrosionsschutz. Lediglich im dekorativen Bereich wird das PVD-Verfahren als Konkurrenz zum galvanischen Verfahren angesehen.

[1] Bericht der Interdisziplinären Forschung der Dechema, 22.04.2020, Dr. Kathrin Rübberdt, idw - Informationsdienst Wissenschaft, https://www.innovations-report.de/fachgebiete/interdisziplinaere-forschung/weit-mehr-als-rost-korrosion-geht-alle-an/
[2] „Korrosion und die Folgen“, Dessauer Korrosionsschutz GmbH, Zum Gänsewall 9, 06844 Dessau-Roßlau, https://www.korrosionsschutz-dessau.de/korrosionsschutz/korrosion-folgen.html
[3] Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Korrosion
[4] ZOG Seminarunterlagen

Referenten:

Erich Arnet, Z.O.G. Geschäftsführer
Oliver Daub, Dr.-Ing.Max Schlötter GmbH & Co. KG
Stefan Funk, fem Forschungsinstitut Edelmetalle + Metallchemie
Herbert Kappel, fem Forschungsinstitut Edelmetalle + Metallchemie
Ralph Krauß, Dr.-Ing.Max Schlötter GmbH & Co. KG
Alexander Pfund, fem Forschungsinstitut Edelmetalle + Metallchemie
Dr. Christof Langer, fem Forschungsinstitut Edelmetalle + Metallchemie
Robert Mayerhofer, Mercedes Benz
Dr. Detlef Stoeckert, Dörken Coatings GmbH & Co. KG

Onlinekurs "Grundlagen der Korrosion"

  • Ausgabe: April
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Dr. Elke Moosbach
Image

Eugen G. Leuze Verlag GmbH & Co. KG
Karlstraße 4
88348 Bad Saulgau

Tel.: 07581 4801-0
Fax: 07581 4801-10
E-Mail: info@leuze-verlag.de

 

Melden Sie sich jetzt an unserem Newsletter an: