GenZ meets Galvanotechnik

GenZ meets Galvanotechnik

Die Gewerbliche Schule Schwäbisch Gmünd bildet in der Galvano- und Oberflächentechnik die Fachkräfte von morgen aus. Klassenleiter Ulrich Urban und andere praxisorientierte Lehrkräfte treffen hier auf die Generation Z (GenZ) – und wecken mit ausgefeilten Lehr- und Unterbringungskonzepten die Faszination für den Beruf und die Branche.

Sie ist eine der bedeutendsten Schulen für Oberflächen- ­beschichter in Deutschland: die Gewerbliche Schule Schwäbisch Gmünd – nur 20 Autominuten nach Osten vom Oberflächentechnik-Hochschulstandort Aalen und rund 40 Minuten nach Westen von der Baden-Württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart entfernt. Es ist ein Standort mit längerer Tradition, ein Fixpunkt für die vielen Hidden Champions im Ländle, die auch weiter auf Galvano- und Oberflächentechnik setzen – den hohen Energiepreisen und den demografischen Schwierigkeiten ihrer Betriebe zum Trotz. Der Ruf der Schule strahlt aber über Süddeutschland hinaus. Während ihrer drei Lehrjahre wechseln Schülerinnen und Schüler aus allen Teilen Deutschlands von ihren Ausbildungsplätzen in den heimischen Galvaniken für drei Wochen Blockunterricht je Quartal nach Schwäbisch Gmünd. „Die Azubis kommen sogar aus Berlin, wo es sehr interessante Galvaniken wie Atotech gibt“, weiß Ulrich Urban, Klassenleiter der Oberflächenbeschichter und selbst ehemaliger Schüler der Gewerblichen Schule Schwäbisch Gmünd.

Fach- und Praxis-Expertise gefragt

Urbans Berufsweg führte nicht sofort zur Galvanotechnik. Er startete an der Schule mit einer Ausbildung zum Elektroinstallateur, holte dann die Mittlere Reife und das Abitur nach, studierte Galvanotechnik in Aalen und arbeitete jahrelang als In­betriebnahmeingenieur für galvanische Anlagen und später als Betriebsleiter einer Chemiefirma, die Ionenaustauscher regeneriert. 2006 wurde er schließlich wissenschaftlicher Fachlehrer in Schwäbisch Gmünd. Er hat die größte Fachexpertise an der Schule und genießt bei seinen Schützlingen einen exzellenten Ruf. Doch auch die übrigen Lehrer der rund 50 Auszubildenden pro Lehrjahr haben ihr Wissen überwiegend im Galvanotechnik-Studium in Aalen und im Berufsleben erworben, betont Abteilungsleiterin Oberflä­chenbeschichtung Dr. Christa Hannak.

In dem modernen erst im vergangenen Herbst neu eröffneten silbrig-glänzenden Schulgebäude an der Heidenheimer Straße kommen beim Blick in das Klassenzimmer der Azubis Erinnerungen an die eigene Schulzeit hoch. Eine breite Tafel säumt den hinteren Teil der Klasse, eine Karte mit dem Periodensystem der chemischen Elemente ziert eine Seitenwand. Der Unterricht beginnt gerade, Schüler und Lehrer nehmen Platz, ein leichter Geruch nach Kreide liegt in der Luft, mancher blickt noch in seine Unterlagen, weil in der nächsten Schulstunde eine Prüfung in Gesellschaftskunde ansteht.

GenZ: Neugierig, motiviert, fasziniert

Was beschäftigt die neue Generation von Galvano- und Oberflächentechnikern, die überwiegend aus der sogenannten Generation Z stammt, also zwischen 1995 und 2010 geboren wurde? Da ist zum Beispiel der 21jährige Carlo, Auszubildender bei Schlötter in Geislingen an der Steige, der seiner Mutter eines Tages als Leiter einer Lohngalvanik nachfolgen möchte und dafür hier das Handwerkszeug erwirbt. Oder Franziska, die bei Betz-Chrom in München lernt, und vom Kosmetiker-Handwerk zur Oberflächenbeschichtung wechselte, als ein Praktikum in ihrem jetzigen Ausbildungsbetrieb ihr Interesse weckte.

Andere Schüler wie Artures und Negrutiu, die bereits Anfang 30 und Ende 20 sind, starteten als unqualifizierte Arbeitskraft oder Zeitarbeiter bei Carl Zeiss Oberkochen und Rieger Metallveredlung und erhielten dort die Gelegenheit, sich mit einer Ausbildung zur begehrten Fachkraft weiterzubilden. Wie den meisten anderen liegen auch dem 20jährigen Jannes und dem 21jährigen Jannick die Fächer Physik, Chemie und Mathe. Ist dem nicht so, erhalten die Auszubildenden bereits frühzeitig Förderunterricht, der je nach Bedarf auch am Ausbildungsort fortgesetzt wird. Jetzt im dritten Lehrjahr haben Franziska und die fünf jungen Männer, die sich den Fragen des Journalisten stellen, alle Lunte gerochen und entdeckt, was für ein vielfältiges und hochinteressantes Ausbildungsfeld sie für sich ausgewählt haben. Sie schätzen es, aus ausgedienten verrosteten Dingen wieder Hochglanzprodukte selbst herstellen zu können. Und dass sie mit ihren Fachkenntnissen in so vielen Bereichen, etwa Medizin- oder Automobilindustrie, Fuß fassen können.

Neubau der Gewerblichen Schule Schwäbisch Gmünd an der Heidenheimer StraßeNeubau der Gewerblichen Schule Schwäbisch Gmünd an der Heidenheimer Straße

Ulrich Urban mit einem Leiterplattenbild, das die Schaltungen und die Belichtungsmaske zeigt. Anhand dieser Maske wird selektiv galvanisiertUlrich Urban mit einem Leiterplattenbild, das die Schaltungen und die Belichtungsmaske zeigt. Anhand dieser Maske wird selektiv galvanisiert

„Ich hätte nie gedacht, was alles so beschichtet ist“

Heute wissen sie: Ohne Galvanotechnik kommen Wirtschaft und Industrie nicht aus. „Ich hätte nie gedacht, was alles so beschichtet ist“, erinnert sich Artures an die Zeit, als Galvanotechnik für ihn noch unbekanntes Terrain war. Und Negrutiu fasziniert es, dass sogar Nudeln oder die Kinderschuhe seines Kollegen galvanisiert und damit ansprechend konserviert werden können. Die landläufigen Vorurteile über diese Generation, sie sei arbeitsscheu und habe zu hohe Ansprüche, sind hier nicht auszumachen. Stattdessen herrscht große Zuversicht über die eigenen Zukunftschancen und große Neugier an allem, was die Metallisierung und die damit zusammenhängende Chemie betrifft. Jannick möchte nach der Fachhochschulreife, die er an der Schule erwirbt, sogar ein Studium draufsatteln. Andere werden wohl zunächst die guten finanziellen Einstiegschancen nutzen und im Beruf durchstarten, sobald sie ihren Ausbildungsbrief in der Tasche haben.

Begeisterung für den Job entfachen

Damit der Galvanotechnik-Nachwuchs universell einsetzbar ist, wird ein großes Augenmerk auf Praxis gelegt. Acht Stunden in der Woche wird nicht die Schul-, sondern die Werkbank gedrückt. Dafür steht ein großes Technikum in der Schule und eine Außenstelle für Schleiferei, Poliererei, mechanische Vorbehandlung und Galvanik in einem anderen Teil von Schwäbisch Gmünd zur Verfügung. Im Technikum wartet Ulrich Urban für ein paar Fragen zum Unterricht und zur Berufsschulausbildung. Er lehrt das Fach Berufsfachkompetenz, kurz BFK, in dem etwa die Verfahrens- und Umwelttechnik und andere Fächer gebündelt sind, und verbringt die meisten Unterrichtsstunden mit den Schülerinnen und Schülern.

Guter Klassenzusammenhalt: Der Zweig Oberflächentechnik fährt pro Lehrjahr zweizügig. In jeder Klasse sind rund 25 Schülerinnen und SchülerGuter Klassenzusammenhalt: Der Zweig Oberflächentechnik fährt pro Lehrjahr zweizügig. In jeder Klasse sind rund 25 Schülerinnen und Schüler

„Pro Klasse gibt es immer zwei oder drei, die nicht durchhalten“

Bei aller Faszination über die Möglichkeiten des Berufs und seiner Grundlagen, die er so gut vermitteln kann, verhehlt Urban aber nicht, dass es auch Schwierigkeiten gibt: „Pro Klasse gibt es immer zwei oder drei, die nicht durchhalten“, räumt er ein. „Es dauert etwas, bis man in den Fluss kommt und erkennt, was für ein toller Job das ist“, hat er in seinen 18 Jahren an der Schule beobachtet. Ihm gefällt, dass die Branche klein ist. So haben viele, die heute im Beruf stehen, ursprünglich bei ihm gelernt – und jetzt folgen ihre Auszubildenden. Wenn man Urban sieht, wie er die Leiterplattenbohrmaschine im Technikum erklärt und hervorhebt, wie gut die Ausrüstung vor Ort die reale Situation im Betrieb nachbildet, flammt ansteckende Begeisterung in ihm hoch, die einen Eindruck davon vermittelt, was ihn bei seinen Schülerinnen und Schülern so beliebt macht. Um diese Faszination für Galvanotechnik zu entfachen, wird bei Auszubildenden im ersten Lehrjahr gerne mit Gold gestartet. Und da geht es nicht nur um Anwendungen in der Schmuckbranche: „Durch die Zunahme feiner Elektronik haben sich viele Firmen auf technisches Gold spezialisiert“, erzählt Urban eine Anekdote. Eine Schülerin habe in der Technikerausbildung – die in Schwäbisch Gmünd ebenso wie die Meisterausbildung angeboten wird – von ihrem Lehrbetrieb die Aufgabe erhalten, die Dicke einer Goldschicht in einer Bandgalvanik auf nur 1 μm zu reduzieren. Die Bandgalvanik sei dazu technisch nicht in der Lage gewesen, aber ihrer Technikeranwärterin gelang es in ihrer Abschlussarbeit, eine Methode zu beschreiben, mit der die Schicht auf etwa 1,1 μm verringert werden konnte – eine Einsparung von einem Kilogramm Gold im Wert von 70.000 Euro pro Tag – eine sensationelle Leistung.

Ulrich Urban und Dr. Christa Hannak vor den Beschichtungsbädern für Leiterplatten im Technikum der SchuleUlrich Urban und Dr. Christa Hannak vor den Beschichtungsbädern für Leiterplatten im Technikum der Schule

Fachlehrer Martin Klotz in der Außenstelle für Schleiferei, Poliererei, mechanische Vorbehandlung und Galvanik. In einem Klassenzimmer im Dachgeschoss bietet Klotz, der zwölf Jahre beim Umicore-Vorläufer Degussa gearbeitet hat, praxisbezogenen Unterricht anFachlehrer Martin Klotz in der Außenstelle für Schleiferei, Poliererei, mechanische Vorbehandlung und Galvanik. In einem Klassenzimmer im Dachgeschoss bietet Klotz, der zwölf Jahre beim Umicore-Vorläufer Degussa gearbeitet hat, praxisbezogenen Unterricht an

Umfangreiche Ausstattung

Nach der Präsentation der Leiterplattenbohrmaschine mit ihrer Zweiachssteuerung und dem Bohrer, der die verschiedenen Bohrköpfe je nach Programm automatisch abgreift, führt Urban weiter in den Räumen des Technikums herum, zeigt die Bäder und Spülen für die Leiterplatten sowie die umfangreiche Analytik mit Schleiftischen sowie Licht- und Röntgenfluoreszenzmikroskop. „Wenn man Galvanotechnik am Beispiel der Leiterplatte gelernt hat, ist das so komplex, dass man auch für das Handwerk gerüstet ist“, zeigt sich der Berufsschullehrer überzeugt. Was natürlich nicht heißt, dass in Schwäbisch Gmünd weitere Verfahren nicht vorkommen. Funktionale Galvanotechnik wird am Beispiel der Hartverchromung gelehrt – auch hier von einer Fachkraft mit Praxiserfahrung, Birka Schunter, die früher Werkleiterin in einer Hartverchromerei gewesen ist. In dekorativer Galvanotechnik stehen Verfahren wie Sauer Kupfer, Cyanidisch Kupfer, Nickel, Zink sowie Musterbeispiele komplexer Bäder auf dem Lehrplan, etwa wie ein komplex gebundener Elektrolyt am Beispiel von Kupfer funktioniert. Um starke Auszubildende voranzubringen und schwächere nicht zu vernachlässigen wird manchmal mit zwei Lehrern unterrichtet. Für bestmögliche Ausbildungserfolge wird zudem viel mit den Ausbildungsbetrieben kommuniziert. Und wie ist es mit Azubis mit Migrationshintergrund? Hier hebt Urban besonders die Unterschiede in den Schulsystemen hervor, berichtet von Ländern, in denen es kein Schulfach Chemie gibt. Entscheidend ist ihm zufolge aber vor allem eines: So viel Unterstützung es auch gibt: 51 % des Lehrerfolgs hängen immer vom Schüler selbst ab.

Im Labor der Außenstelle, die früher zur Werkkunstschule gehörte, erwerben die Galvanotechnik-Nachwuchskräfte ihr chemisches FachwissenIm Labor der Außenstelle, die früher zur Werkkunstschule gehörte, erwerben die Galvanotechnik-Nachwuchskräfte ihr chemisches Fachwissen

Melanie Graf vor dem 2022 eröffneten Wohnheim für Auszubildende. Graf ist beim Landratsamt Ostalbkreis für die Gewerbliche Schule zuständigMelanie Graf vor dem 2022 eröffneten Wohnheim für Auszubildende. Graf ist beim Landratsamt Ostalbkreis für die Gewerbliche Schule zuständig

Gemeinschaft schafft Zusammenhalt

Wichtig für alle Auszubildenden, die manchmal schon im Alter von 15 Jahren mit ihrer Ausbildung anfangen, ist nicht nur der Unterricht, sondern auch die Gemeinschaft mit anderen. Deshalb ist Anfang 2022 auch ein brandneues Wohnheim neben der Schule mit mehr als 100 Plätzen in Betrieb genommen worden. Unternehmen, die Förderungen in Anspruch nehmen, zahlen hier nur wenige Euro am Tag für eine Übernachtung. Franziska von Betz-Chrom steht plötzlich in der Tür. Auch sie wohnt während des Blockunterrichts hier und freut sich über den Kontakt mit Auszubildenden ihrer Fachrichtung, die hier in Zwei­er-WGs mit Küche wohnen und auch im Aufenthaltsraum mit Billard, Tischkicker und Dartspiel zusammenkommen. Zu Grillabenden schaut auch schon einmal Ulrich Urban vorbei – und singt möglicherweise eines seiner Lernlieder mit den Auszubildenden.

Schwierige Nachwuchsgewinnung

Wie auch in anderen Branchen, sind die gesunkenen Ausbildungszahlen an der Schule ein Thema. Es gab Lehrjahre, in denen fünf Parallelklassen zum Oberflächenbeschichter ausbildeten, mittlerweile sind es nur noch zwei.
Dr. Hannak weist darauf hin, dass die Betriebe die Einstellungen vornehmen und die Schule nur dualer Partner ist. Dennoch werde alles unternommen, um Aufmerksamkeit für das Berufsbild Oberflächenbeschichter zu erregen, zu dem seit einer Ausbildungsreform heute auch der Feuerverzinker gehört. „Wir sind überall präsent, bei den Ausbildertagen sowie auf dem Berufsfindungstag im Haus für Schülerinnen und Schüler aus den umliegenden Schulen. Außerdem besteht auch die Gelegenheit, ein Praktikum in der Schule zu machen“, zählt Dr. Hannak auf. Ein Engagement, das hoffentlich bald wieder Früchte trägt und dem vielversprechenden und zukunftsfähigen Beruf weiteren talentierten Nachwuchs verschafft.

Aus- und Mitarbeiterweiterbildung gibt es auch beim LeuzeVerlag unter www.galvanotechnik-for-you.de

Fotos: Robert Piterek

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