Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben

Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben

Wann immer für Menschheit und Industrie weitreichende Entscheidungen gefällt werden, zeigt sich, wie wenig Entscheider wissenschaftlich vorgearbeitet haben. Das FCKW-Verbot war sicher richtig. Doch hätte man besser auch Auswirkungen der Ersatzstoffe bedacht.

Zwar war schon länger klar, dass es eine Korrelation zwischen massiver Freisetzung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen – unter Freon und anderen Handelsnamen bekannt – und dem Abbau der für das Leben auf unserem Planeten wichtigen Ozonschicht gab. Doch dauerte es lang, bis am 16. September 1987 das Montrealer Protokoll vereinbart wurde. Der internationale Vertrag zum Schutz der Ozonschicht forderte die Einstellung der Produktion zahlreicher Substanzen, die für den Ozonabbau verantwortlich gemacht wurden und werden. Der Vertrag trat am 1. Januar 1989 in Kraft und wurde seither in neun Revisionen verändert und erweitert.

plus 2021 01 0035Abb. 2: In der Stratosphäre, zwischen sieben bis 25 Meilen (11 bis 40 km) über der Erdoberfläche, befindet sich die Ozonschicht. Sie schützt unseren Planeten vor potenziell schädlicher ultravioletter Strahlung. Quelle: Fonds der Chemischen Industrie 1995Ozon ist ein sogenanntes Spurengas, es kommt also nur in sehr geringen Konzentrationen vor – in 10 Millionen atmosphärischen Molekülen lassen sich nur ca. drei Moleküle Ozon finden, und die vielgenannte ‚Schicht', die in Dobson Einheiten [DU] gemessen wird, ist nur wenige Millimeter dick. Dennoch wirkt sie als Schutz gegen schädliche UV-Strahlung aus dem All. Während die Publikumspresse sich auf Hautkrebs als schlimmste Gefahr des ‚Ozonlochs' eingeschossen hat, machen sich Wissenschaftler eher Gedanken des Planktons wegen. In klarem Wasser kann UV-B-Strahlung nämlich in eine Tiefe von über 10 m eindringen.

Die FCKWs wurden ihrer Eigenschaften wegen als Kältemittel, Treibmittel für Aerosole, zur Erzeugung von Schaumkunststoffen wie expandiertem Polystyrol oder Polyurethanschaum sowie als Lösungsmittel für die chemische Reinigung und für allgemeine Entfettungszwecke verwendet. In der elektronischen Industrie wurden gefertigte Leiterplatten mit Freon oder einem Azeotrop gewaschen.

Auch Drogenherstellern leistete Freon bei der Herstellung von Methamphetaminen [2] gute Dienste. Ganze Tankerladungen gingen in Richtung sogenannter Superlabs beispielsweise in Süd- und Mittelamerika.

Zwar wird als Ersatz für die FCKWs ein ziemliches Sortiment verschiedener Chemikalien verwendet, jedoch tauschte eine erkleckliche Anzahl an Unternehmen sie einfach gegen die kurzkettigen Perfluoralkylcarbonsäuren (scPFCAs) aus, die jedoch in der Umwelt nicht abgebaut werden.

plus 2021 01 0036Abb. 3: Aufgeflogenes Meth-Lab in einer Millionen-Dollar-Villa In Ohio, USA (abcNews 19 April 2014)Es handelt sich dabei um eine Gruppe synthetischer Chemikalien, die als Perfluoralkylsubstanzen (PFAS) bezeichnet werden, und die auch unter der wenig scherzhaft gemeinten Bezeichnung ,für-immer-Chemikalien' laufen. Der Grund: Sie sind schwer zu zerstören. Die PFAS werden in Automobil-, Elektro- und Elektronikanwendungen sowie in der industriellen Verarbeitungs- und Bauindustrie eingesetzt.

Ihrer ‚Unzerstörbarkeit' wegen können scPFCAs lange Strecken in der Atmosphäre zurücklegen und landen somit häufig in Seen, Flüssen und Feuchtgebieten, was zu irreversiblen Kontaminationen führt und die Gesundheit von wirbellosen Süßwassertieren, einschließlich Insekten, Krebstieren und Würmern, beeinträchtigt. Zudem musste erkannt werden, dass gegenwärtige Trinkwasseraufbereitungstechnologien sie nicht entfernen können. Dementsprechend wurden die scPFCAs bereits im menschlichen Blut sowie in Obst, Gemüse und anderen von uns verzehrten Pflanzen nachgewiesen.

Das ist äußerst bedenklich, denn es gibt zahlreiche mögliche gesundheitsschädliche Auswirkungen: PFAS-Verbindungen korrelieren mit Krebs, Leberschäden, Schilddrüsenerkrankungen, verminderter Fruchtbarkeit, hohem Cholesterinspiegel und Hormonsuppression.

plus 2021 01 0037Abb. 4: Forscher sammeln Eisbohrkerne, um den Gehalt an FCKW-Ersatz in der Arktis zu untersuchenCora Young, Atmosphärenchemikerin der York University, hatte in einer früheren Studie langkettige Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) im arktischen Eis gefunden. In ihrer neuen Forschung konzentrierte sie sich auf kürzere Verbindungen. Ihre Hypothese war, dass die Konzentrationen dieser kurzkettigen Verbindungen seit der Verabschiedung des Montrealer Protokolls gestiegen seien. Young und Amila De Silva, Chemikerin bei Environment and Climate Change Canada überprüften die jährliche Konzentrationen dieser Verbindungen [speziell: Trifluoressigsäure (TFA), Perfluorbutansäure (PFBA) und Perfluorpropionsäure (PFPrA)] in Eisbohrkernen (Devon Ice Cap in Nunavut, Kanada) der Glaziologin Alison Criscitiello von der University of Alberta.

Das Vorkommen aller drei Verbindungen ist seit 1990 gestiegen. Laut Young et al. hat das bei mindestens zwei der Verbindungen damit zu tun, dass sie als FCKW-Ersatzstoffe vermehrt eingesetzt werden.

Zumindest in Europa scheint man darauf aufmerksam geworden zu sein, denn die europäischen Länder haben kürzlich Pläne angekündigt, PFAS-Chemikalien bis 2030 auslaufen zu lassen.

Ein anderes Thema ist die ‚erneuerbare Energie', die sowohl Kohle und Erdöl als auch Atomenergie ersetzen soll. Aufgeschreckt durch Bilder von Windturbinen-Rotorenblättern in Deponien kratzt man etwas weiter am Bild der Umweltfreundlichen und findet heraus, dass offenbar nicht alles so ‚grün' ist, wie gerne dargestellt. Lassen wir mal die Solarpanele mit ihren seltenen Erden sowie deren Wiedergewinnung beiseite und widmen uns nur den Windmühlen, die ja prominent bereits bei Don Quichote anzutreffen waren – wobei sie etwas anders gebaut wurden als die heutigen.

Heute karren Lastwagen den Stahl und andere Baustoffe heran. Und da die Kraftwerke nur an windigen Stellen wirtschaftlich sind, müssen Planierraupen und anderes schweres Gerät erst einmal einen Zugang für Fundamentbau und Aufstellkräne schaffen. Ohne Dieselkraftstoff kaum machbar.

Zement und Stahl werden auch nicht ohne Energie (Kohle/Öl) erzeugt und eine 5-Megawatt-Turbine benötigt allein für die Stahlbetonfundamente etwa 150 t Stahl. Nochmal 250 t sind es für die Rotornaben und Gondeln (in denen das Getriebe und der Generator untergebracht sind) und 500 t für die Türme. Dabei vernachlässigen wir hier den Bedarf an Metall für Masten, Drähte und Transformatoren für die notwendigen Hochspannungsleitungen.

 plus 2021 01 0038Abb. 5: Richard Cullip, stellvertretender Leiter der Deponie von Logan County, hebt einen Abschnitt eines Windturbinenblatts an, um seine Widerstandsfähigkeit zu demonstrieren

 plus 2021 01 0039Abb. 6: Augenfälliger Minuspunkt ,grüner‘ Energie: Rotorblätter werden beerdigt

So könnte man noch eine Weile weiter machen. Aber wenden wir uns nur einem Detail zu – der Entsorgung der Rotorblätter: Sie wären zwar eventuell 20 Jahre haltbar, werden aber etwa alle zehn Jahre ausgetauscht. Da die etwa 60 m langen Blätter mit einem Gewicht von jeweils etwa 15 t aus einer Kombination von Balsa- oder Schaumkernen und glasfaserverstärkten Epoxid- oder Polyesterharz-Außenkaschierungen bestehen, sind sie kaum kostengünstig einer Wiederverwendung zuzuführen. Deswegen werden sie in Mülldeponien beerdigt. Ein Blatt benötigt zwischen 23 und 34 Kubikmeter Deponieraum: „Das Blatt der Windkraftanlage wird letztendlich für immer da sein. Die meisten Deponien gelten als trockenes Grab“, sagt Bob Cappadona, Chief Operating Officer der nordamerikanischen Einheit der in Paris ansässigen Veolia Environnement SA [3]. Vielleicht erfreut das später einige Archäologen.

Abschließend sei zugegeben, dass eine gut entworfene Windkraftanlage in weniger als einem Jahr so viel Energie erzeugen kann, wie für ihren Bau aufgewendet werden musste. Bleiben also noch produktive 9 Jahre, bis zumindest wieder neue Rotorblätter fällig werden. Und ohne Öl und Kohle könnten sie sowieso erst gar nicht entstehen.

Zur Person

Prof. Rahn ist ein weltweit tätiger Berater in Fragen der Verbindungstechnologie. Sein neues Buch über ‚Spezielle Reflowprozesse' erschien vor Kurzem beim Leuze Verlag. Er ist erreichbar unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein., wohin auch Anfragen über In-Haus Seminare gerichtet werden können.

Literatur und Anmerkungen:

K. Bourzac: CFC replacements are a source of persistent organic pollution in the Arctic – Analysis of ice cores shows increasing levels of three short-chain PFAS linked to CFC replacement chemicals, Most Popular in Environment, May 2, 2020
Geophys. Res. Lett. 2020, DOI: 10.1029/2020GL087535
https://spectrum.ieee.org/energy/renewables/to-get-wind-power-you-need-oil

Referenzen:

[1] Matthäus 12,24 (Lutherbibel 2017): laut Lukas 11,15 ist Beelzebub der oberste der Teufel
[2] www.justice.gov/archive/olp/methawareness
[3] Unter https://www.energieagentur.nrw/blogs/erneuerbare/beitraege/recycling-wie-werden-rotorblaetter-entsorgt heißt es unter anderem: „Weil seit 2005 die Deponierung von GFK-Abfällen gesetzlich verboten ist, kommt eine Lagerung des Materials nicht in Frage. Rotorblätter werden deshalb geschreddert und darin enthaltene Metallreste abgeschieden. Die übrigen Abfälle werden bislang als Brennstoff und Sandsubstitut in der Zementindustrie thermisch eingesetzt oder in konventionellen Müllverbrennungsanlagen verbrannt. Allerdings geht das wegen der Struktur der Glasfaser und der komplexen chemischen Reaktionen im Verbrennungsprozess, die die Filter und Verbrennungslinien belasten, nur in kleinen Mengen. Ein Unternehmen in Bremen hat unterdessen eine alternative Lösung entwickelt und vor zwei Jahren auf den Markt gebracht: Die Verbundstoffe ausgedienter Rotorblätter werden durch ein spezielles Verfahren zu einem Ersatzbrennstoff weiterverarbeitet“

  • Ausgabe: Januar
  • Jahr: 2021
  • Autoren: Prof. Rahn
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