Adrenalin, Wagemut und Entscheidungsklarheit - Bericht über das SGO-Leiterplattenseminar in Uetikon (Schweiz)

Adrenalin, Wagemut und Entscheidungsklarheit - Bericht über das SGO-Leiterplattenseminar in Uetikon (Schweiz)

 

Am 29. September 2022 fand in Uetikon das traditionelle Leiterplattenseminar der Schweizerischen Gesellschaft für Oberflächentechnik (SGO-SST) statt. Die PLUS war vor Ort und sammelte Impressionen der Veranstaltung [1].

Zeit für den Austausch bot die Kaffeepause. Hier im Gespräch André Bodegom und Markus Widmer, neben ihnen Philip Schmid (im Bildvordergrund v. r.n.l.)Zeit für den Austausch bot die Kaffeepause. Hier im Gespräch André Bodegom und Markus Widmer, neben ihnen Philip Schmid (im Bildvordergrund v. r.n.l.)Nach der Begrüßung von Peter Weber, Präsident des Verwaltungsrats der Zürichsee-Schifffahrtsgesellschaft und vormals Head of Technology von GS Swiss PCB, wagte Remo Fischer (Betriebsleitung Hofstetter PCB AG) eine Marktanalyse der europäischen Leiterplattenproduktion. Er berief sich dabei auf Zahlen des Vorjahres und auf aktuelle Erhebungen. Das Ranking der größten PCB-Hersteller überrascht dabei nicht: Würth (Deutschland), AT & S (Österreich) und KSG (Deutschland und Österreich) führten 2021 die Liste an, gefolgt von Schweizer Elektronik (Schweiz, Platz 4), Mektec (Deutschland, Platz 5), Unimicron (Deutschland, Platz 6), Elvia PCB (Frankreich, Platz 7) und Somacis (Italien, Platz 8). Auf Platz 9 und 10 finden sich wiederum Schweizer Firmen: Dyconex und GS Swiss PCB. Auch setzte sich 2021 der Trend fort, dass der Vertrieb von HDI-Leiterplatten wächst.

Philipp Schmid (Head Research and Business Development, CSEM) trug zu einem pulsierenden Thema vor: Die Chancen Künstlicher Intelligenz für die Industrie. Schmid zeichnete die Entwicklung von KI-Anwendungen seit 2015 nach (als die KI im zuvor unbezwingbar scheinenden antiken Strategieklassiker ‚Go' menschliche Großmeister besiegen konnte) und zeigte innovative KI-Anwendungen für die Qualitätssicherung in der Leiterplattenfertigung auf (‚Predictive Quality'). Klassische Fehler (z. B. Lötfehler) kann die KI bei immer feineren und präzisen Diagnosen erkennen und einschätzen – und wird darin immer besser durch ‚Deep Learning'-Prozesse [2].

Lieferketten rasseln noch immer

Ebenfalls ein wichtiges Thema stellte im Anschluss Markus Widmer (Ocean Freight Switzerland und Schenker Switzerland) vor. Er beschäftigte sich mit dem nach wie vor anhaltenden Problem disruptiver Lieferketten, zeigte auf, wie sich die Lage verändert hat, wie sich die Mangellage verändert hat, welche bekannten und neu auftretenden Störfaktoren sich ausmachen lassen und welche Strategien helfen könn(t)en, mit ihnen umzugehen. Eines machte Widmer sehr deutlich: „‚Just in Time' war gestern.“ Die PLUS wird sich übrigens genau mit diesem Thema in der kommenden Ausgabe 02/2023 auseinandersetzen.

Über die neue ‚Medical Device Regulation (MDR)' sprach Benno Uennigmann (Biotronik). Die 2017 vom Europäischen Rat eingeführte Verordnung (EU) 2017/745 stellt Medizinprodukthersteller und die Zulieferindustrie vor regulatorische Herausforderungen. Neue Klassifizierungsregeln und höhere Anforderungen an Produktdokumentationen und die Auswertung klinischer Daten erhöhen den Druck gerade auf kleine Hersteller, da vor allem mehr Dokumente erstellt werden müssen. Die MDR betrifft auch die Schweiz: Obwohl kein Teil des Europäischen Wirtschaftsraums, führte die Eidgenossenschaft aufgrund des ‚Mutual Recognition Agreement' (MRA) entsprechende Regularien ein (CH-MDR).

Gesamtprozesskontrolle verbessern

Die Aufmerksamkeit der Zuhörerschaft galt vollständig den Vorträgen – und für die Pausen lag die PLUS bereitDie Aufmerksamkeit der Zuhörerschaft galt vollständig den Vorträgen – und für die Pausen lag die PLUS bereitEine umfassende Präsentation brachte André Bodegom (Geschäftsführer Adeon Technologies) zu Gehör. Er sprach über die notwendige Integration Künstlicher Intelligenz (KI) in Entwurf, Leiterplattenfertigung, IC-Substrate und EMS. Dies erfordere eine verbesserte Gesamtprozesskontrolle mit dem Ziel höherer Rückverfolgbarkeit (Traceability) und selbstlernender Algorithmen.

Den Abschluss des gelungenen Seminars bildete eine Keynote des Extremsportlers Dani Arnold, der über Gefahr, Adrenalin und Entscheidungsfindung sinnierte – mit eindrucksvollen Bildern seiner Bezwingung von Bergen und Gletschern [3].

Ob Arnold hier die europäische Leiterplattenindustrie zu mehr Wagemut und Entscheidungsklarheit anregen wollte? Fast konnte man seinen Beitrag so deuten. Entsprechend belebt endete die Veranstaltung der SGO-STT, die ihr gutes Gespür für aktuelle Themenkomplexe der Leiterplattenindustrie erneut unter Beweis gestellt hat.

www.sgo-sst.ch/home-de.html, www.daniarnold.ch

Referenzen

[1] Fotografien, sofern nicht anders angegeben: Alfred Kraft (Leuze Verlag)
[2] Zu diesem Thema erschien jüngst ein zweiteiliger Forschungsbeitrag des Zentrums für mikrotechnische Produktion (TU Dresden), siehe PLUS Ausgaben 10/2022 und 11/2022
[3] Dani Arnold: www.daniarnold.ch. Bild mit freundlicher Genehmigung

 

  • Ausgabe: Januar
  • Jahr: 2023
  • Autoren: Markolf Hoffmann
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