Technologieforum ‚Green Electronics‘ – Erfolgreicher Auftakt auf Zeche Zollverein

Technologieforum ‚Green Electronics‘ – Erfolgreicher Auftakt auf Zeche Zollverein

Mit ‚Green Electronics' wurde ein Technologieforum zur Nachhaltigkeit in der Elektronikfertigung ins Leben gerufen. Bei der ersten Veranstaltung wurde deutlich, dass Einiges bereits im Gange ist, es aber noch viel zu tun gibt. Zudem wurde aufgezeigt, welche Hürden dabei zu überwinden sind.

Die Unternehmen MTM Ruhrzinn, kolb Cleaning Technology und Stannol veranstalten als Team das Green Electronics Technologieforum und haben dabei den ZVEI e. V. als Partner. Wie wollen wir in Zukunft produzieren? Dieser Frage wurde beim ersten ‚Green Electronics Technologieforum' auf Zeche Zollverein in Essen auf den Grund gegangen. Denn wer wettbewerbsfähig bleiben will, darf Klimaschutz und Nachhaltigkeit nicht mehr vernachlässigen. Doch wie gestaltet man eine nachhaltige Elektronikfertigung wirtschaftlich sinnvoll und profitabel? Was sind die Herausforderungen, aber vor allem auch Chancen?

Umdenken ist notwendig

Prof. Dr. Michael BraungartProf. Dr. Michael BraungartNach einer Führung durch die historische Location Zeche Zollverein startete der erste Tag mit dem Keynote-Vortrag von Prof. Dr. Michael Braungart, Baumgart EPEA, zu dem von ihm entwickelten Design-Konzept ‚Cradle to Cradle'. Er betonte, dass Falsches perfekt machen in der Realität ‚perfekt falsch machen' bedeutet. Ein großes Problem des bisherigen Wirtschaftens ist, dass sich überall Rückstände finden und man diesen ständig ausgesetzt ist. Anstelle des Ziels Klimaneutralität sollten wir besser etwas Positives für die Umwelt tun bzw. das Ziel klimapositiv verfolgen. Der durchaus kontroverse Vortrag ‚Cradle to Cradle als Innovationschance' führte zu vielen Diskussionen unter den rund 90 Anwesenden. Tun wir genug und könnte man sein Geschäftsmodell gänzlich umdenken, um das Thema Nachhaltigkeit in den Fokus zu rücken?

Neue Impulse und gute Beispiele

Am zweiten Tag boten sieben Vorträge neue Impulse und gute Beispiele, aber auch kritisches Hinterfragen wie: Sind die getroffenen Maßnahmen wirklich sinnvoll oder eher ein Fall von ‚Greenwashing' für das Marketing?

Nach der Begrüßung und Eröffnung durch Moderatorin Sabrina Nickel gab es eine weitere Keynote mit dem Titel ‚Warum nicht die Welt retten? Klimaneutralität als unternehmerische Verantwortung' von Lisa Reehten, Bosch Climate Solutions. Bosch ist seit 2020 CO2-neutral (Scope 1 und 2) und führt in seinen 400 Werken weltweit ca. 1.000 Projekte zur Klima- bzw. Umweltneutralität durch, wovon sie einige aufzählte. Darunter finden sich Wertstromprojekte im Hinblick auf Scope 3 einschließlich der Produktnutzung. Lisa Reehten sagte: „Wenn wir anfangen, hat das seine Wirkung in der Welt.“ Wichtig sei Kommunikation: Man müsse die Leute abholen. Zudem sei eine Analyse der Wesentlichkeit zur Auswahl der Projekte wichtig.

Zur Herausforderung ‚Gebäudestand' präsentierte Pascal Biesenbach, Viadukt, eine Lösung, wie man die Energiewende smart und effizient organisieren kann: ein digitales Ökosystem, das ausgehend von einer Gebäudeanalyse Möglichkeiten und Maßnahmen aufzeigt sowie die Planung der Modernisierung mit einem Handwerkermarktplatz unterstützt. Dieser Assistent für die Gebäudeenergiewende ist kostenlos und findet sich unter www.energiequartier.de.

Was kommt da auf uns zu?

Über den Deutschen Nachhaltigkeitskodex im Kontext aktueller Berichtspflichten informierte Stephanie Kopp, Rat für Nachhaltige Entwicklung. Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) umfasst 20 Kriterien bzw. Kennzahlen in einem Bericht mit einem Format für alles. Der DNK ist mehr als ein reiner Berichtsstandard. Die DNK-Datenbank ist das Herzstück. Sie ermöglicht einen Vergleich mit anderen Unternehmen. Der DNK bietet zudem Support, u. a. als Leitfaden, und ist auch eine Berichtsplattform für die kommende Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), wie Stephanie Kopp mittels Vergleich aufzeigte.

Manfred Amberger, Zollner Elektronik, verdeutlichte, dass Life(re)cycle-Management und Nachhaltigkeit als Chance für die EMS-Industrie genutzt werden sollten. Angesichts der zunehmenden Ressourcenverknappung wird in Zukunft das Recycling und das Verlängern der Lebensdauer durch Wiederverwendung von Materialien immer wichtiger. Zum Design-for-Everything (DfX) gehört deshalb auch das Design-for-Recycling (DfR), was eine neue Herausforderung für das Produktdesign ist. Aber die Nachhaltigkeit ist eine Chance: Mehr als 50 t werden jährlich recycelt.

Andreas Nolte, Aurubis, informierte über die Multimetallgewinnung durch Leiterplattenrecycling. Am Standort Lünen werden über 100.000 t Elektronikschrott recycelt, darunter Leiterplatten und Mobiltelefone mit relativ hohen Gehalten an wertvollen Metallen. Das Multimetallrecycling erfolgt auf der Basis von Kupfer. Die darin gelösten Metalle sind mittels pyro- und hydrometallurgischen Verfahren abtrennbar. Nolte beschrieb, wie der Prozess mit welchen Anlagen bis hin zur Kupferelektrolyse erfolgt.

Von den rund 2.200 EMS-Unternehmen in Europa machen nur vier über 1 Mrd. € Umsatz. Über den aktuellen Stand der Nachhaltigkeit in der EMS-Landschaft berichtete Michael Künsebeck, in4 ma. Generell vermeide man seit Jahren Verschwendung und nutze wirtschaftliche Vorteile. Diese Aktivitäten werden inzwischen auch für ‚Greenwashing' genutzt, wofür Michael Künsebeck einige Beispiele aufzählte. Andere Maßnahmen mit dem Ziel Nachhaltigkeit, die von anderen Unternehmen mit Erfolg angewendet werden, sind die Erhöhung der Produktlebensdauer, die Mehrfachverwendung von Bauteilen, die Miniaturisierung und einzelne Maßnahmen wie z. B. eine optimierte Nutzengestaltung.

Dr. Gerhart Aust und Quentin Zapf, Prettl Electronics, beschrieben Nachhaltigkeitsstrategien in der Elektronikfertigung sowie die Herausforderungen und Implementierung am Beispiel der eigenen Firma. Die Prettl-Gruppe möchte bis 2025 klimaneutral sein. 2020 wurde dazu die Initiative ‚Prettl GoZero' ins Leben gerufen. Klimaneutralität soll mittels Energieeffizienz, regenerativen Energien, Grünstrom und Kompensationsmaßnahmen erreicht werden. 2022 wurde durch Grünstrom, Fernwärme/Biogas und E-Fahrzeugflotte der eigene CO2-Ausstoß auf 0 t reduziert. Zudem erfolgten Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz wie die Umstellung auf LED-Beleuchtung, Beseitigung von Druckluft-Leckagen und Einführung von Energie-Leistungskennzahlen zur Verringerung der pro Baugruppe benötigten Energie. Zudem ist wichtig, dass alle Mitarbeitenden eingebunden und Anreize hierfür geschaffen werden.

Sowohl während der Q&A-Sessions nach den Vorträgen als auch in den Pausen erfolgte ein reger Austausch zwischen den Teilnehmern, der deutlich machte, dass die Branche gewillt ist, sich auf neue Ansätze einzulassen.

Erfreuliches Fazit – Branche ist sich ihrer Verantwortung bewusst

Die Elektronikbranche ist sich ihrer Verantwortung im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Klimaneutralität bewusst. Etliche Unternehmen haben schon Prozesse etabliert und die ersten Schritte getan. Wer dies noch nicht getan hat, dem wird geraten, dies einfach mal zu machen. Denn Nachhaltigkeit schaffen wir nur gemeinsam. Und gemeinsam geht es weiter. Das nächste Technologieforum ‚Green Electronics' wird am 15. und 16. Mai 2024 wieder auf der Zeche Zollverein in Essen stattfinden.

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