Gas geben bei der Energiewende senkt Klimarisiken

Gas geben bei der Energiewende senkt Klimarisiken

Was es braucht, das 1,5 % Ziel bei der Erderwärmung doch zu erreichen, hat ein empa-Forscherteam durchgerechnet

Wer würde in ein Flugzeug steigen, das nur mit 50 % Sicherheit am Ziel ankommt?“, fragen Harald Desing und Rolf Widmer gleich eingangs ihrer Veröffentlichung. Auf unserer Reise in die Zukunft mit dem Raumschiff Erde haben wir nicht die Wahl ein- oder auszusteigen. Umso erstaunlicher ist daher, dass selbst bei optimistischen Transitionspfaden des IPCC („Intergovernmental Panel for Climate Change“) die Chancen, die Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, nur bei 50 % liegen.

Radikal vereinfachter Ansatz

Diese Solarfassade am Gebäude K3 Handwerkcity in Wallisellen ist seit 2020 in Betrieb (Foto: die werke versorgung wallisellen ag)Diese Solarfassade am Gebäude K3 Handwerkcity in Wallisellen ist seit 2020 in Betrieb (Foto: die werke versorgung wallisellen ag)Wir müssen also mehr tun, um die Chancen auf eine sichere Zukunft zu erhöhen, überlegten sich die beiden Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (empa). Und begannen zu rechnen, um die physikalische Grenze zur Beschleunigung der Energiewende zu finden. Mit Hilfe eines Modells, das speziell dafür in der Empa-Forschungsabteilung „Technologie und Gesellschaft“ entwickelt wurde, vereinfachen sie die Weltwirtschaft zu einem radikalen, klaren Bild: Es gibt eine „fossile Maschine“, die alle heutigen, nicht erneuerbaren Energiesysteme zusammenfasst und fossile Treibstoffe in Elektrizität umwandelt. Und es gibt eine „solare Maschine“, die Elektrizität aus Sonnenlicht erzeugt.

Da die Solarpotentiale auf den ohnehin bereits versiegelten Dächern, Fassaden, Parkplätzen und anderer Infrastruktur für die Wende ausreichen, braucht es weder Solarparks auf der grünen Wiese, noch riesige Windparks. Ganz klar: Die fossile Maschine müssen wir sobald möglich abschalten, die andere, solare aufbauen und in Gang setzen. Der Bau der solaren Maschine braucht zunächst einmal Energie, die zu Beginn der Energiewende nur aus der fossilen Maschine kommen kann. Wie schaffen wir das mit den geringstmöglichen kumulierten Emissionen? Denn die Temperatur der Atmosphäre hängt nicht von den momentanen, sondern den gesamten – also auch den vergangenen – Emissionen ab.

Vollgas geben, dann hart bremsen

Die beiden Forscher haben mehrere Szenarien durchgerechnet und sind dabei zu einem klaren Ergebnis gekommen: Wir müssten jetzt alle fossilen Kraftwerke möglichst voll auslasten und die dadurch zusätzlich gewonnene Energie in den Aufbau der solaren Maschine stecken. „Unsere Simulation zeigt, dass der schnellstmögliche Umbau der Energiewirtschaft den geringsten kumulierten CO2- Ausstoß generiert“, so Desing. Dies bedeutet paradoxerweise, dass die fossilen Emissionen während der Transition um bis zu 40 % mit dem Ziel steigen, solare Infrastruktur aufzubauen. Damit könnte die Energiewende binnen fünf Jahren abgeschlossen sein, was zu den geringsten kumulierten Emissionen führt. Anschließend kann die fossile Maschine für immer abgestellt werden.

Doch selbst die schnellstmögliche Energiewende führt immer noch mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 % dazu, dass das 1,5 °C-Ziel überschritten wird. Darunter geht es nicht mehr, dafür ist es schon zu spät. Und jedes Jahr, das wir warten, erhöht diese Wahrscheinlichkeit weiter.

 

Fazit:

Theoretisch wäre es noch möglich, die Wahrscheinlichkeit unter 50 % zu drücken, das Klimaziel von 1,5 °C zu überschreiten – allerdings nur, wenn wir nun bei der Energiewende Gas geben. Die Forschungsarbeit wurde vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanziert.

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