Sonderausgabe: EMS-Special – Rework-Lösungen bei EMS

Sonderausgabe: EMS-Special – Rework-Lösungen bei EMS

In unserem Special widmen wir uns diesmal dem Thema Rework. War dies seit eh und je ein wichtiger Teil der Electronics Manufacturing Services, werden in letzter Zeit Rework-Aufträge noch stärker nachgefrragt. Eine klare Folge der Lieferkettenprobleme, die die Branche in den letzten zwei Jahren in Atem hielten. Aber auch der zunehmende Nachhaltigkeitsgedanke sorgt für verstärktes Umdenken bei Rework-Lösungen.

Wilfried Marx, Vertrieb Drews ElectronicDen Hinweis, dass Rework-Services stärker nachgefragt werden als bisher, verdanken wir ursprünglich Andreas Kraus, Geschäftsführer von Kraus Hardware in Großostheim, Baden-Württemberg, und Teil des Beirats der PLUS [1]. Das weckte unsere Neugier. Tatsächlich bestätigten ‚stichprobenartige' Befragungen von EMS-Anbietern, dass hier in der Tat ein leichter Anstieg zu verzeichnen ist.

So konnten wir ein Gespräch mit Herrn Wilfried Marx (Vertrieb Drews Electronic in Kamp-Lintfort, Nordrheinwestfalen) führen. Auch er sieht einen wachsenden Bedarf: „Rework wird immer dann nötig, wenn irgendetwas schiefgelaufen ist.“ Fehler können an allen Stellen der Fertigung entstehen – und sie häuften sich zwangsläufig, als im Zuge der Lieferkettenschwierigkeiten händeringend nach Bauteilen gesucht worden sei. Laut Marx habe EMS versucht, die Lücken zu schließen. Doch es seienauchfehler- oder mangelhafte Komponenten aus Fernost auf den Markt gekommen, „etwaüberlagerte Ware oder mit verbogenen Beinchen“. Wenn man dann als EMSler nicht höllisch aufpasse, kann dies schnell zu einer fehleranfälligen Bestückung führen. Auch Fakeware sei leider keine Seltenheit. Entsprechend ist Rework – bei anhaltendem Bauteilmangel – oft unumgänglich.

Marx sieht einen weiteren Grund, der zu einer fehlerhaften Bestückung führen kann.Durch den Fachkräftemangel (siehe PLUS Ausgabe 5/2023) komme immer häufiger Personal zum Einsatz, das nicht genügend ausgebildet worden sei: engagierte Mitarbeiter, die jedoch fachfremd sind oder – falls zugewandert – mit Sprachproblemen zu kämpfen hätten. „Das ist zwangsläufig eine Fehlerquelle“, erkennt Marx. Auch deshalb sei ein zunehmender Bedarf an Rework-Lösungen zu erwarten.

Rob WallsDas deckt sich mit den Beobachtungen von Rob Walls, einem der Geschäftsführer von Piek Training, ein Schulungs- und Zertifizierungsunternehmen für die elektronische Verbindungsindustrie.

Bei den Schulungen, die Piek in zahlreichen deutschen und europäischen Städten sowie online anbietet, sei eine Zunahme ungeschulter Mitarbeiter zu verzeichnen. Auch sei die Teilnahme an den Kursen ‚IPC-7711 & 7721 CertifiedIPC Specialist' von 2020 auf 2021 um 30 % gewachsen und danach konstant geblieben. Bei IPC-7711/7721 handelt es sich um Rework-Richtlinien des amerikanischen Handels- und Standardisierungsorganisation mit Sitz in Bannockburn (Illinois, USA), die sich mit den Belangen der Elektronikfertigung befasst [2].

Im deutschsprachigen Raum hat bereit Ende 2017 der ZVEI einen Leitfaden zum Rework elektronischer Baugruppen vorgelegt [3]. Er stellte Risiken und neuralgische Punkte innerhalb der gesamten Prozessgestaltung auf und gab Empfehlungen zur Umsetzung von Rework unter Betrachtung der jeweiligen Rahmenbedingungen der Verfahren und Prozesse. Laut Dr. Christoph Weiß, der beim ZVEI für den Leitfaden und das Thema Rework verantwortlich ist, sei es angesichts der aktuellen Materialknappheit und der Notwendigkeit der Ressourcenschonung von höchster Bedeutung, Methoden für ein qualifiziertes Rework elektronischer Baugruppen zu berücksichtigen. Lesen Sie mehr über seine Einschätzung dieser Thematik auf Seite 884.

Befragen konnten wir auch Herrn Ricco Ortmanns, seit 2013 Reworktechniker bei der Firma Kuttig Electronic. Das mittelständische Unternehmen mit Sitz in Roetgen bei Aachen bietet sämtliche EMS-Dienstleistungen an, darunter auch BGA-Rework, BGA-Reballing und SMD-Rework. Laut Herrn Ortmanns kann bei Kuttig kein erhöhtes Rework-Aufkommen festgestellt werden. Insgesamt bestätigt er aber, dass in Folge der Lieferkettenprobleme „immer mehr Baugruppen ausgeschlachtet werden“. Wenn Bauteile nicht bezogen werden können, werden sie eben von Baugruppen „runtergepflückt für eine Neubestückung.“. Auch der zunehmende Fokus auf Nachhaltigkeit mag laut Ortmanns ein Aspekt sein, aber es sei eben immer eine Kostenfrage: „Rework ist nicht billig – es muss für den Kunden rentabel ist, denn so richtig erholt hat sich der Markt noch nicht.“

Ricco Ortmanns, Kuttig Elecronic, bei der Kontrolle von Reworkarbeiten am RöntgengerätGearbeitet wird bei Kuttig mit MARTIN-Reworkstationen und einer Infrarotunterheizung. Mir ihr lassen sich Aluminiumplatinen schwer bearbeiten, weil sie reflektieren und keine Hitze zustandekommt. Deshalb hat sich Kuttig für eine Hybridunterheizung entschieden, um mit den Geräten sehr flexibel große und kleinen Leiterkarten reworken zu können. Gefragt nach einer sinnvollen Entwicklung im Bereich Rework nennt Ortmanns eine Möglichkeit, Altlot automatisiert zu entfernen. Entsprechend halte Kuttig immer Ausschau nach neuen Lösungen und sei gespannt auf die Innovationen der ‚productronica'.

Gefragt nach dem Problem der Produktfälschungen und ‚Fake-Ware' betont Ortmanns, dass Kuttig Bauteile über zertifizierte Broker beziehe, wenn vom Hersteller nichts zu bekommen sei. Die Röntgenanlage bei Kuttig sei beim Rework zum Bewerten und Begutachten der Arbeit „Gold wert, weil wir mit ihr genau kontrollieren können, ob etwa ein Kurzschluss vorliegt oder der BGA nicht ganz aufgeschmolzen ist.“ Broker-Bauteile werden einer Röntgenprüfung unterzogen, um zu sehen, „ob die Bondings wirklich dort drin sind, wo sie sein sollen“, oder das Gehäuse leer ist. Solche Fälle gebe es leider gehäuft. Durch die Prüfung gehe man bei Kuttig „dem Schlimmsten aus dem Weg“. Aber natürlich komme es vor, „dass gut aussehende Bauteile schlechte Ergebnisse bringen“.-mh-

Referenzen

[1] Vgl. Editorial auf S. 817
[2] In deutscher Übersetzung von Roman Meier: www.ipc.org/TOC/IPC-7711C-7721C-DE.pdf (Abruf: 3.7.2023)
[3] Leitfaden ‚Rework elektronischer Baugruppen – Qualifizierbare Prozesse für die Nacharbeit', siehe Weblinks

Weblinks

www.zvei.org/presse-medien/publikationen/rework-elektronischer-baugruppenqualifizierbare-prozesse-fuer-die-nacharbeit
www.drews-electronic.de/emsdienstleistungen/rework/
www.kuttig.de/ems-dienstleistungen/reparatur.html

Rework elektronischer Baugruppen – Qualifizierbare Prozesse für die Nacharbeit

Dr. Christoph WeißIn der aktuellen Zeit, in der Themen wie Materialknappheit, Ressourcenschonung und Materialverfügbarkeit eine wachsende Rolle spielen, ist es von höchster Bedeutung, Methoden für ein qualifiziertes Rework von elektronischen Baugruppen zu berücksichtigen. Der ZVEI hat eine Branchenempfehlung erarbeitet, welche beweist, dass der Nacharbeitsprozess kontrollierbar ist, wenn dieser sorgfältig durchgeführt wird und alle Bedingungen für Bauteile, Leiterplatten und Lötprozesse beachtet werden. Mit einem korrekten Rework-Prozess können Produkte produziert werden, die qualitativ genauso gut sind wie diejenigen aus der Linienproduktion.

Wichtige Faktoren hierbei sind neben einer individuellen thermischen Profilierung ein qualifizierter und reproduzierbarer Rework-Prozessablauf. Dabei gelten die gleichen Ansprüche an die qualitative Ausführung und Produktbeschaffenheit wie im Linienprozess. Insbesondere gelten die gleichen Abnahme- und Prüfschärfen und die konsequente Erfüllung aller Begleitaspekte hinsichtlich Art, Passform und Funktion. Der ZVEI-Leitfaden zeigt dazu konkrete Risiken und neuralgische Punkte innerhalb der gesamten Prozessgestaltung auf und gibt Empfehlungen zur Umsetzung.

Dr. Christoph Weiß, ZVEI

Referenz

Leitfaden ‚Rework elektronischer Baugruppen – Qualifizierbare Prozesse für die Nacharbeit':
www.zvei.org/presse-medien/publikationen/rework-elektronischer-baugruppen-qualifizierbare-prozesse-fuer-die-nacharbeit

  • Ausgabe: Juli
  • Jahr: 2023
  • Autoren: Markolf Hoffmann, Dr. Christoph Weiß
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