Beschichtungsprobleme bei gelötetem Messing

Beschichtungsprobleme bei gelötetem Messing

Frage: Wir haben einen Kunden gewonnen, der aus Messingdrahtgitter kleine Körbe herstellt. Anfangs wurde eine kleine Serie bemustert. Leider haben wir es versäumt, detaillierte Bilder oder eine Erstmusterprüfbericht zu erstellen. Der Kunde war mit der Bemusterung sehr zufrieden und schickte weitere Aufträge, die keine Probleme vermuten ließen und auch keinen Grund zur Reklamation aufwiesen. Dies hat sich nun geändert. Der Grund waren graue Lötstellen, die, wie wir vermuten, nicht mit Nickel bekeimt wurden. Mit Weichlot haben wir sehr selten zu tun. Die Teile werden alkalisch und elektrolytisch entfettet, in einer Mischsäurelösung aktiviert und anschließend hochglanzvernickelt. Die reklamierten Teile wurden elektrolytisch entnickelt, gestrahlt und erneut vernickelt – ohne Erfolg. Wir haben ebenfalls ein Hullzellenblech mit verschiedenen Loten (bleihaltig, nicht bleihaltig) versehen und in der Hullzelle versucht zu vernickeln. Die hohen Stromdichtebereiche wurden mehr oder minder bekeimt, während die niedrigen Stromdichtebereiche nichts angenommen haben. Beide Lote ließen sich nicht ordentlich galvanisieren. Die Probleme treten bei den Kundenteilen hauptsächlich im niedrigen Stromdichtebereich auf. Haben Sie Ratschläge, wie sich gelötetes Messing einwandfrei und prozesssicher galvanisieren lässt?

Antwort: Ihre Situation, dass Erstbemusterungen und erste Aufträge sehr gut funktionieren, später aber Schwierigkeiten auftreten, tritt in der Galvanotechnik leider häufig auf. Das hat mehrere Ursachen.

Problematische Erstbemusterungen

Besonders bei der Erstbemusterung wird in allen Prozessschritten besonders gründlich gearbeitet, schließlich geht es darum, die technische Machbarkeit zum Erfolg zu führen. Später treten Probleme durch vorwiegend vier Ursachen auf:

  1. Schlamperei,
  2. Sparmaßnahmen,
  3. kürzere Verweilzeiten,
  4. veränderte Bedingungen durch höhere Losgrößen.

Diese Punkte betreffen nicht nur die Galvanik, sondern auch alle davor stattfindenden Schritte. Bezogen auf den Ausgangszustand kann Punkt 1 Probleme durch mehrere Quellen verursachen. Etwa die Verwendung von zu wenig Flussmittel, zu viel Lot oder schlicht nicht ausreichende Zeit.

Punkt 2 kann dazu führen, dass ein günstigeres, vielleicht ungeeignetes Lot verwendet wurde. Blei und viele andere Legierungen sollten keine Probleme machen, es ist aber bekannt, dass Bismut und vor allem Indium zu Problemen führen können.

Den dritten Punkt kennt man sehr gut von der Beschichtung von Stahl – aber nicht nur dort. Früher wurden gefertigte Teile oft mehrere Wochen im Lager gehalten, bevor sie zu einer Galvanik transportiert wurden. Diese Teile ließen sich oft wesentlich besser beschichten als frisch gefertigte Teile. Es ist gut denkbar, dass solche Effekte auch hier eine Rolle spielen. Darauf wird gleich tiefer eingegangen.

Bemusterungen werden oft in einer Handgalvanik durchgeführt, ebenso kleinere Losgrößen. Ab einer bestimmten Stückzahl geht man auf eine Anlage über. Hier ist häufig nicht nur der Zustand der Bäder anders, sondern auch die Aufhängung, Widerstände, Anoden und deren Verteilung und natürlich die Gesamtoberfläche. Dem Foto nach (liegt der Redaktion vor) scheint die korrekte Oberfläche nicht einfach zu berechnen zu sein. Ungenauigkeiten wirken sich bei bspw. drei Teilen nicht so stark aus wie bei dreißig Teilen.

Verbindung Lot zu Messing

Grundsätzlich werden beim Lot andere elektrische Bedingungen herrschen als beim Grundmaterial. Das liegt einerseits natürlich an den Legierungen, andererseits an der Verbindung. Erfahrungsgemäß werden Lötverbindungen besser, wenn sie ausgelagert werden. Der Unterschied zwischen Grundmaterial und Lot wird beim Galvanisieren umso größer, je geringer die Stromdichte ist. Genau dieser Effekt zeigt sich bei Ihnen. Wie stark dieser Effekt bei Ihnen ist, müssten Sie an den Teilen selbst prüfen. Führen Sie hierzu Stromfluss- bzw. Widerstandsmessung an Einzelteilen und am Gestell durch. Wie viel Strom kommt überhaupt am Lot an und wie viel kurz davor auf dem Messing? Je nachdem, wie stark die Unterschiede sind, kann das auch Einfluss auf die elektrolytische Entfettung haben. Hier können dunkle, abwischbare Schichten an den Lötstellen entstehen.

Um die Verbindung und somit den Stromfluss zu verbessern, sollten Sie die Teile in einem Ofen auslagern. Beginnen Sie am besten mit 70 °C und einer Verweilzeit von vier bis acht Stunden. Anschließend können Sie Ihre Messungen wiederholen und bei einer Verbesserung erneut galvanisieren. Ggf. sollte vor dem Galvanisieren die Oberfläche in einer Salzsäurelösung (1:1) kurz aktiviert werden.

Wenn Sie die optimale Zeit bei 70 °C gefunden haben, können Sie einen weiteren Versuch bei 80 °C und halber Zeit durchführen. Der RGT-Regel nach sollte dies zu einem ähnlichen Resultat führen [1].

Vorbeschichtungen

Die Tiefenstreuung von Hochglanznickelbädern ist bekanntlich vergleichsweise schlecht. Verbessert sich die Leitfähigkeit durch die beschriebene Auslagerung nicht, sollte – soweit dies bei Ihnen möglich ist – versucht werden, vor dem Hochglanznickel anders zu beschichten, um die Lötstellen ausreichend zu bedecken. Wie gut man die Hullzellenbleche mit den tatsächlichen Teilen vergleichen kann, ist schwer zu sagen. Möglicherweise sind sie aber für erste Vorversuche im Labor geeignet. Hierbei gäbe es mehrere Möglichkeiten:

  1. Mattnickel vor Glanznickel. Eventuell reicht die etwas bessere Tiefenstreuung bereits aus, um die Lötstellen zu bekeimen und letztlich ausreichend mit einer circa 3-5 µm Schicht vorzuvernickeln.
  2. Anschlagnickel bzw. Nickel-Strike. Solche Bäder haben eine wesentlich gleichmäßigere Metallverteilung [2]. Ein entsprechender Elektrolyt hätte folgende Zusammensetzung:
    200 g/L Nickelchlorid (NiCl2 • 6 H2O)
    100 g/L Nickelsulfat (NiSO4 • 7 H2O)
    40 g/L Borsäure (H3BO3)
    0,2 – 0,8 g/L Natriumlaurylsulfat (NaC12H25SO4)
    als Netzmittel
    Temperatur: 50 – 60 °C
    Stromdichte: 2 – 10 A/dm2
    pH-Wert: 2,5 – 4
  3. Cyanidische Verkupferung. Sollten Sie bereits einen entsprechenden Elektrolyt im Einsatz haben, raten wir dazu, die Versuche damit zu beginnen. Alle Erfahrungen aus Fachaufsätzen setzen eine cyanidische Vorverkupferung für die Galvanisierung von Weichlot voraus.
  4. Wenn das nicht funktioniert, wäre ein Versuch mit einem Bronzeelektrolyt anzuraten.

Mattbeize

Gelegentlich wird auch zu einer Mattbeize geraten, die vor der Galvanisierung angewendet wird. In dieser Chromatbasis-Beize werden die Teile bzw. Testbleche 2-5 Min bei Raumtemperatur behandelt. Anschließend wird in einer Salzsäure 1:1 kurz eingetaucht, um den passiven Film zu entfernen.

Zweigeteiltes Problem

Es wäre besser, das Problem gedanklich zweizuteilen in Nacharbeiten und die neuen Aufträge.

Je nachdem, was bereits an den reklamierten Teilen gemacht wurde, verändert sich der Oberflächenzustand. U.­a. wird die Oberfläche durch das Sandstrahlen größer, was bei gleicher Strommenge zu einer geringeren Stromdichte führt. Dadurch wird Ihr Problem sogar verstärkt.

Wenn es sich bei der Nacharbeit um eine vertretbare Menge handelt, wäre wirklich zu überlegen, diese mit einer cyanidischen Verkupferung zu retten – auch wenn Sie dies derzeit nicht im Haus anwenden. Da die Teile relativ klein zu sein scheinen, würde ein recht geringes Volumen ausreichen.

Bei neuen Aufträgen hingegen stellt sich die Frage nach einem generell verbesserten Prozess. Die Erstbemusterung hat zwar gezeigt, dass die Beschichtung technisch möglich ist, aber die Praxis belegt, dass dieser Prozess bei Ihnen nicht zu 100 % sicher funktioniert.

Sie werden deshalb um die aufgeführten Vorversuche und weiteren Beschichtungsversuchen an den Kundenteilen nicht herumkommen. Im Prinzip beginnt Ihre Erstbemusterung somit von vorne.

LINKS

[1] https://www.galvanotechnik-for-you.de/galvano-rechner/?seite=alterungs-rechner
[2] https://www.galvanotechnik-for-you.de/uebersicht-kurse/die-galvanische-vernickelung/

  • Ausgabe: Februar
  • Jahr: 2024
  • Autoren: B. C.
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