Werkzeuge für die Zerspantechnik unterliegen besonders hohen Beanspruchungen im Bereich der Schneidkante. Deshalb werden bereits seit Jahrzehnten Verschleißschutzschichten zum Schutz der Kanten aufgebracht. Dabei ist die Stabilität einer beschichteten Kante von deren spezifischer Geometrie, der Rauheit, dem zu zerspanenden Material und dem aufzubringenden Schichtsystem abhängig. Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Untersuchung von AlCrN-basierten Mehrlagenschichtsystemen und kathodischen Vakuumbogen-Beschichtungsprozessen, welche eine Reduzierung des Schneidkantenradius während der Schichtabscheidung ermöglichen. Damit soll es perspektivisch möglich sein, höhere Ausgangsradien bei der Werkzeugauswahl zu berücksichtigen und mit einer frei einstellbaren Kantengeometrie anforderungsgerechte Beschichtungslösungen anzubieten.
Tools for cutting applications are subject to particularly high loads in the area of the cutting edge. For this reason, wear protection layers have been applied to protect the edges for decades. The stability of a coated edge depends on parameters such as edge geometry, roughness, the material to be machined and the coating material system to be applied. This work deals with the investigation of AlCrN-based multilayer systems and cathodic arc coating processes, which allow a reduction of the cutting edge radius during the deposition process. Thus, it should be possible to consider higher starting radii when selecting tools and to offer coating solutions with a freely adjustable edge geometry.
1 Grundzüge der Plasmabeschichtung
1.1 Untersuchungen zum Einfluss der Geometrie
2 Experimenteller Aufbau und Charakterisierungsmethoden
Schichtsystem | Verfahren | Abhängigkeiten und Untersuchungen | Referenz |
TiN | RMS | Durchgeführt wurde eine Schichtdickenvariation für Biasspannungen zwischen –350 V bis –500 V: hier fehlt die TiN-Schicht an den Kanten, während bei einer Biasspannung von –200 V eine dünne Schicht in Kantennähe aufwächst. Höhere Schichtdicken entstehen an Kanten im Bereich von 32 V bis –150 V, die auf eine geringe Rücksputterausbeute zurückzuführen sind. Ein höherer Ar-Gasdruck (mehr Stoßprozesse zwischen den Teilchen in der Kammer) schwächt den Kanteneffekt ab, Rücksputtern wird unterdrückt, die Schichtdicke wird kaum beeinflusst. | [1] |
TiN | MS | Bestimmung geometrieabhängiger Härteverläufe. Dabei findet eine Bildung dichterer und härterer Schichten in Kantennähe statt. Je größer der Kantenwinkel, desto härter wird die abgeschiedene Schicht. | [2] |
TiN | DMS + UBMS | Ermittlung geometrieabhängiger Schichtdickenverteilung: je spitzer die Kante, umso niedriger die Schichtdicke; die Härte steigt zur Kante hin, je spitzer die Kante, desto geringer die Härte. | [3] |
TiN | RMS, CAE, HCD | Die Schichtdicke an Kanten sinkt durch Rücksputtern, sie sinkt mit abnehmendem Keilwinkel. Bei der CAE-Beschichtung kommt es aufgrund einer höheren Ionisierung des Plasmas zu einer besseren Tiefenbeschichtbarkeit, ein höherer Gasdruck führt zu höherer Schichtdicke an der Kante; die Härte an Kanten ist geringer als auf der Flachprobe. Des Weiteren wird eine Analyse der Beschichtbarkeit von Kanten mit Kantenwinkeln von 30°, 54° und 90° und Vertiefungen vorgenommen. Im Vergleich zu anderen Beschichtungsverfahren lieferte CAE die höchsten Beschichtungsraten sowie eine relativ gleichmäßige Schichtdickenverteilung entlang der Kanten. Bei einem Kantenwinkel von 30° sank die Schichtdicke mit zunehmender Entfernung von der Kante, während sie bei 54° und 90° zunächst absank, mit weiter steigendem Abstand von der Kante allerdings wieder anstieg. Bei Ermittlung der Schichthärte wurde festgestellt, dass Schichten, welche mit der CAE hergestellt worden sind, höhere Schichthärten aufweisen als mit RMS abgeschiedene Schichten. | [4] |
CrN | CAE | Durchführung von Beschichtungen auf Proben mit unterschiedlichen Kantenwinkeln und Flachprobe. Beim Anlegen einer Biasspannung zeigte sich mit abnehmendem Kantenwinkel und zunehmender Spannung zwischen –100 V und –400 V eine verstärkte Anhäufung von Makropartikeln und damit eine Aufrauhung der Kante. Außerdem konnte in der Kantenregion eine Zunahme der Beschichtungsrate mit steigendem Kantenwinkel im Vergleich zu einer Flachprobe festgestellt werden. Die Anhäufung von Makropartikeln konnte durch eine gepulste Biasspannung verringert werden | [5] |
TiN | CAE, RMS | Zwei Geometrien (Schneiden mit rechtwinkliger bzw. spitzwinkliger Kante) wurden bei Biasspannungen von 0 V, –30 V und –60 V beschichtet. Mit zunehmender Biasspannung sank dabei die Beschichtungsrate und die Druckeigenspannungen stiegen. Während des Beschichtungsprozesses mit Biasspannung tritt ein erhöhtes Ionenbombardement an Kanten und Spitzen gekrümmter Proben auf. | [6] |
TiAlCrYN, TiAlN/VN, | CAE + UBMS, |
Schichten, welche an Kanten unter erhöhter Ionenflussdichte abgeschieden werden, zeigen andere Eigenschaften als Schichten auf flachen Substraten. Dazu erfolgte eine vergleichende Studie von TiAlCrYN-Schichten auf verschiedenen Proben (Winkel 30°, 45° und 60°, Radius 2 µm und 100 µm). Die angelegte Biasspannung betrug –75 V. Das Al/Ti-Verhältnis steigt mit zunehmender Entfernung von der Kante und größer werdendem Kantenwinkel leicht an, was auf ein partielles Rücksputtern von Al an der Kante deutet. Während das Al/Ti-Verhältnis bei allen Proben an der Kante nahezu gleich ist, divergiert es mit zunehmendem Abstand von der Kante. Bei der 60°-Kante erreicht das Al/Ti-Verhältnis den Wert der Flachprobe mit größer werdendem Kantenabstand. Einfluss des Kantenradius ist bei der 30°-Kante deutlicher ausgeprägt als bei der 60°-Kante. Je kleiner der Radius, desto kleiner ist auch das Al/Ti-Verhältnis aufgrund der stärkeren Sputterwirkung. Bei der Schichtdickenverteilung wurde festgestellt, dass alle Kanten eine dickere Schicht im Vergleich zu Flachproben aufweisen, wobei der Effekt mit zunehmendem Kantenwinkel abnimmt. Im Gegensatz dazu stehen die Untersuchungen von TiAlN/VN-Schichten. Die Schichten wurden bei –75 V bis –150 V abgeschieden. Einfluss der Kante (Winkel 30°, 45° und 90°) auf den Einfallswinkel der Ionen wurde festgestellt. Änderungen in der Schichtmorphologie, Schichtdicke, Zusammensetzung und Struktur waren die Folge. Direkt an der Kante (bis 0,3 mm) fehlte die Schicht komplett, im kantennahen Bereich (1–2 mm von der Kante) begann die Schicht teilweise zu delaminieren, was mit einem Absinken des Al/Ti-Verhältnisses und einem Anstieg des Ioneneinfallswinkels und der Ionenflussdichte einherging. Ungestörter Bereich, weit von der Kante entfernt, ist durch eine dichte Schicht, ein konstantes Al/Ti-Verhältnis, eine konstante Rücksputterrate von Al, eine konstante Ionenflussdichte und einem Ioneneinfallswinkel von 0° gekennzeichnet. Direkt an der Kante ist die Al-Rücksputterrate um eine Größenordnung höher als im ungestörten kantenfernen Bereich, der Einfallswinkel stieg von 0° auf nahezu 90°. Zudem war ein starker Anstieg der Ionenflussdichte zu verzeichnen. Folgende Einflussgrößen wurden gegenüber gestellt: Kanteneffekte sind mit der Form der Plasmarandschicht verbunden, welche durch die Kantengeometrie beeinflusst wird. Die Rücksputterrate ist von der Energie des Ionenflusses (Bias-abhängig) und der Art der Ionen (Ar-Ionen führen zu einer höheren Sputterausbeute als N-Ionen) abhängig. Zusammenfassend wurde ein Zonendiagramm entwickelt, welches den Zusammenhang zwischen Biasspannung und Kantenwinkel beschreibt. Einteilung in drei Bereiche:
Zone 1: Kanten weisen auch entfernt von Kante eine homogene und geschlossene Schicht auf
Zone 2: Schicht entlang der Kante fehlt partiell
Zone 3: Entlang der Kanten fehlt Schicht komplett.
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[7–10] |
Diamant | CVD | Entwicklung eines Plasmaschärfungsprozesses mit Ar-Ionen zur Kantenschärfung. Die Schneidkante wird dabei schärfer als das Ausgangswerkzeug. | [11–13] |
TiAlCrSiN, TiAlCrSiN, TiAlN | CAE | Ein Rücksputtern an Kanten führt zu einem Schärfungseffekt, da die Sputterausbeute steigt. Eine Biasspannung von -80 V führt zu leichter Schärfung der Kante und hoher Eigenspannung, Biasspannung von -40 V hingegen zu geringerem Verschleiß beim Zerspanen. | [14] |
AlCrSiN/TiN | CAE | Untersuchung des Einflusses der Biasspannung und der Ausgangskantengeometrie auf den Kantenradius, Schärfung der Schneidkante während der Beschichtung. Der Keilwinkel ändert sich durch Beschichtung nur in geringem Maß. | [15] |
Verdampfer | Abmessungen; Zusammensetzung | Al:Cr-Verhältnis |
Ti | 440 ×170 × 20 mm; 100 Atom-% | - |
AlCr | Ø 105 × 15 mm; 70:30 Atom-% | 2,33 |
AlCrSi | Ø 105 × 15 mm; 66:29:5 Atom-% | 2,28 |
AlCrSi | Ø 105 × 15 mm; 60:30:10 Atom-% | 2,00 |
Prozessparameter | Einstellgröße |
Prozessgas und -druck | Stickstoff; 1–10 Pa |
Verdampferstrom | 100A |
Substratvorspannung (Bias) | 0 bis –900 V |
Rotation | zweifach; 5 U/min |
Abstand Verdampfer-Substrat
Rundverdampfer (Mischkathode)
Rechteckverdampfer (Ti)
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10–25 cm
9–24 cm |
Tab. 3: Prozessparameter und deren Einstellgrößen
Sind die Oberflächen präpariert, schließt sich die Abscheidung einer wenige Nanometer dünnen TiN-Haftschicht an, welche die Haftung zwischen Grundwerkstoff und Funktionsschicht gewährleisten soll. Die Abscheidungen der Funktionsschichten erfolgen dabei mit den in Tabelle 2 und Tabelle 3 angegebenen Kathodenmaterialien und Beschichtungsparametern.
Für eine umfassende Schichtcharakterisierung standen die Analysemethoden in Tabelle 4 zur Verfügung.
Abb. 4: Probensatz (links: Flachprobe; rechts: Dreischneidengeometrie, A = 5 µm; 10 µm; 15 µm)
Methode | Gerät | Gegenstand der Charakterisierung |
Kalottenschliff | KSG110 | Bestimmung der Schichtdicke, Berechnung der Beschichtungsrate |
Rasterelektronen-Rasterelektronen-mikroskopie (REM) | JEOL 6610 | Abbilden der Oberflächenmorphologie, der Schichtstruktur |
Energiedispersive Röntgenspektroskopie (EDX) | JEOL 6610 + XMax 80 mm2 | Bestimmung der chemischen Zusammensetzung |
Röntgendiffraktometrie (XRD) | BRUKER 5500 | Bestimmung der Kristallstruktur |
Focused Ion Beam (FiB), Cross Section Polisher (CSP), Metallogr. Präparation | JIB-4610F | Präparation eines Schichtquerschnitts |
Optische 3D-Mikroskopie | Alicona Infinite Focus | Vermessung der Kantengeometrie (Kantenradius und Keilwinkel) |
InstrumentierteInstrumentierteHärteprüfung | ZwickRoell ZHN 1 | Bestimmung der Eindringhärte und des Eindring-E-Moduls |
Tab. 4: Verwendete Analysemethoden und -geräte