Drohendes Chrom (VI)-Verbot

Im EFDS-Workshop, der vom 14. bis 15. Mai in Dresden im Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS stattfand, wurden Lösungen für die Substitution von Chrom(VI) aufgezeigt und diskutiert (Foto: EFDS e.V.)
  • Titelbild: Im EFDS-Workshop, der vom 14. bis 15. Mai in Dresden im Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS stattfand, wurden Lösungen für die Substitution von Chrom(VI) aufgezeigt und diskutiert (Foto: EFDS e.V.)

Drohendes Chrom (VI)-Verbot ....setzt Industrie unter Druck – Perspektiven mit der Dünnschicht-technologie auf dem EFDS-Workshop am 14. und 15. Mai in Dresden.

Udo Klotzbach, Geschäftsführer der Europäischen Forschungsgesellschaft Dünne Schichten e.V. (EFDS), begrüßte die 45 Teilnehmer zum Wissens- und Erfahrungsaustausch über Chancen und Herausforderungen, die sich durch Verwendung alternativer umweltfreundlicher Technologien ergeben. Chrom kommt auf vielen Oberflächen sowohl zur Verbesserung des Korrosionsschutzes als auch aus ästhetischen Gründen zum Einsatz. Demzufolge sind viele Branchen von der REACh-Verordnung und den damit verbundenen Auflagen betroffen.

Zum Workshop kamen Anwender, die Hartchrom aus Chrom(VI)-Elektrolyten galvanisch abscheiden und Anwender, die bereits auf Chrom(III)-Elektrolyte umgestellt haben. Darüber hinaus nahmen Hersteller von Anlagen für PVD-Technologien (Physical Vapour Deposition/ physikalische Gasphasenabscheidung) teil. Die Vorträge – auch über die aktuellen gesetzlichen Auflagen – waren für alle Teilnehmer sehr interessant.

Chrom(VI): Stand der Dinge, Chrom(III), Substitutionsdruck

Dr. Malte M. Zimmer, Zentralverband Oberflächentechnik e.V., sprach über aktuelle regulatorische Rahmenbedingungen (Foto: EFDS e.V.)Dr. Malte M. Zimmer, Zentralverband Oberflächentechnik e.V., sprach über aktuelle regulatorische Rahmenbedingungen (Foto: EFDS e.V.)Über die Substitution von Chrom(VI) im Rahmen von REACh sprach Uwe König, eiffo eG. Der Ersatz gefährlicher Stoffe durch weniger gefährliche oder risikoärmere Alternativen wird durch verschiedene Aspekte, wie Gesundheits- und Umweltschutz, strenge Vorschriften oder auch die Reduzierung von Haftungsrisiken, vorangetrieben. Hindernisse für die Substitution seien laut König der Verlust der Flexibilität, Wissenstransfer an Konkurrenten, Ausfall von Kernlieferanten, Konkurrenz in der Lieferkette, aber auch das Gefühl herumkommandiert zu werden. König fasste zusammen, dass koordinierte Anstrengungen, noch stärkere gesetzliche Anreize und die Schulung des Personals in möglichen Ersatzverfahren dabei helfen, Hindernisse zu überwinden. Koordinierte Anstrengungen von Industrie, Regierung und Forschungseinrichtungen sind notwendig, um neue Verfahren, die technisch praktikabel, umweltfreundlich und möglichst auch wirtschaftlich sind, auf den Markt zu bringen.

 

In seinem Vortrag ging Dr. Malte M. Zimmer, Zentralverband Oberflächentechnik e.V., auf Chrom(VI) und aktuelle regulatorische Rahmenbedingungen ein. Er betonte, dass kein Chrom(VI)-Verbot droht – es ist bereits da. Die Autorisierungsanträge waren für die jeweiligen Unternehmen sehr kostspielig und keiner kann voraussagen, ob es Ausnahmeregelungen geben wird. Alle, die vor 2017 einen Autorisierungsantrag abgegeben haben, können zunächst weiter produzieren. Derzeit herrscht eine große Unsicherheit über die weitere Vorgehensweise mit bewährten Chrom(VI)-Technologien in der EU. In der lebhaften Diskussion wurde die Befürchtung eines sofortigen Fertigungsverbots für Chrom(VI)-Verfahren geäußert.

Martin Leimbach, Technische Universität Ilmenau, stellte Verfahren zur elektrochemischen Abscheidung von Chrom aus Chrom(III)-Elektrolyten vor. Für dekorative Anwendungen sind die Chrom(III)- gegenüber den Chrom(VI)-Elektrolyten aber durchaus konkurrenzfähig, wenn der leicht gelbliche Farbton akzeptiert wird. Außerdem haben sie eine geringere Stromausbeute. Der Einbau von Fremdmetallen beeinflusst das Schichtwachstum, wodurch neben der Farbe auch die Korro­sionsbeständigkeit geändert wird. Mit zugesetzter Organik wird zwar entgegengesteuert, aber dann muss die Abwasser­behandlung angepasst werden. Weitere Forschung ist auf jeden Fall notwendig, um Chrom(III)-Elektrolyte zu­ver­lässig als Ersatz für Chrom(VI)-Elektrolyte einsetzen zu können.

Substitutionspotenzial der Dünnschichttechnologien

Über funktionale PVD-Beschichtungen mit variablem Eigenschaftsprofil berichtete Otmar Zimmer, Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS. Für viele Anwendungen können bisher galvanisch abgeschiedene Chromschichten durch PVD-Verfahren ersetzt werden. Chrom wird im Vakuum verdampft und als feste Schicht auf dem Substrat kondensiert. Die Anlagenkosten sind von der Kammergröße und Ausstattung abhängig. Es werden je nach PVD-Verfahren glatte, kompakte oder dichte, harte Schichten erhalten und damit spezielle Anforderungen hinsichtlich Verschleißschutz und Tribologie oder dekorativer Erscheinung und Korrosionsschutz erfüllt. Je nach Aufgabenstellung werden speziell zusammengesetzte Schichten (zum Beispiel Cr/CrN, AlCrSiN/TiN) aufgebracht.

» Gleichmäßige Schichtdicken werden erreicht, indem die Teile bei konstanter Geschwindigkeit um mehrere Achsen in der PVD-Kammer gedreht werden. «

Matthias Janke, Oerlikon Balzers Coating Germany GmbH, stellte anwendungsspezifische Beschichtungsalternativen zu Hartchrom vor. Für vielfältige Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt, Energiewirtschaft, Werkzeugindustrie und Medizintechnik sowie im Automobilbau kommen PVD-Beschichtungen zum Einsatz. Gleichmäßige Schichtdicken werden erreicht, indem die Teile bei konstanter Geschwindigkeit um mehrere Achsen in der PVD-Kammer gedreht werden. Nicht nur die aufgebrachte Beschichtung sondern das Gesamtsystem muss betrachtet werden. Janke hob deshalb die Bedeutung von Materialwissenschaftlern hervor, die sich mit Werkstoffen, funktionalen Beschichtungen und den Prozesstechnologien auskennen und in Zusammenarbeit mit Softwareingenieuren optimale Lösungen finden.

Auch im Vortrag von Romain Waidelich, Inorcoat INOR PCT GmbH, ging es um PVD-Verfahren, die galvanische Chrom(VI)-Elektrolyte ersetzen. Das Unternehmen Inorcoat stellt PVD-Anlagen für individuelle und flexible Beschichtungen in verschiedenen Größen mit bis zu 5 Meter hohen Kammern her. Beispielsweise wurde eine PVD-Anlage zur Herstellung der Euro-Münzen nach Kroatien geliefert. Herkömmliche Technologien zu ersetzen und neue Technologien anzuwenden, sei möglich, wie die vielen Beispiele zeigen. Es können durchaus wirtschaftliche Vorteile erzielt werden.

Im Vergleich zu galvanisch abgeschiedenen Chromschichten haben die PVD-Beschichtungen bessere mechanische Eigenschaften, wobei sie umweltkonform, aber auch kostenintensiv sind, so fasste Ron Dielis, Ionbon Netherlands B. V., seinen Beitrag zusammen. Mit PVD-, PACVD- und CVD-Beschichtungen können verschiedene Beschichtungsmaterialien, wie zum Beispiel Keramik (Nitride, Karbide, Oxide) sowie diamantähnlicher oder amorpher Kohlenstoff, Chrom, Titan Aluminium, Zirkonium und Silicium, aufgebracht werden. Damit sind unterschiedlichste Anwendungen möglich.

» Nickel kann zu Allergien führen, weshalb Hersteller von Schmuck, Brillen, Griffen oder Bedienelementen Vorgaben zur maximalen Nickel-lässigkeit einhalten müssen. «

Jan Michael, Institut für Korrosionsschutz Dresden GmbH, stellte Untersuchungen zur Charakterisierung der Nickellässigkeit (Freisetzung von Nickel durch z. B. Schweiß auf der Haut) von verchromten Kunststoffbauteilen vor. Die Nickellässigkeit von mit Cr(III)- Elektrolyten verchromten Bauteilen ist tendenziell höher als die mit Cr(VI)-Elektrolyten verchromten Bauteilen. In den allermeisten Fällen wurde bei den mit Cr(VI) beschichteten Bauteilen keine Überschreitung des Grenz­wertes der Nickellässigkeit nach DIN EN 12472 gemessen, bei den mit Cr(III) beschichteten Bauteilen hingegen werden die Grenzwerte überschritten. Eine steigende Nickellässigkeit wurde mit zunehmender geometrischer Komplexität der Bauteile beobachtet. Die Untersuchungen wurden jedoch ohne Angaben zur Chrom-Schichtdicke durchgeführt. Nickel kann zu Allergien führen, weshalb Hersteller von Schmuck, Brillen, Griffen oder Bedienelementen Vorgaben zur maximalen Nickellässigkeit einhalten müssen.

PACVD-Verfahren werden als Verschleiß- und Korrosi­ons­schutz für Kolbenstangen in der Hydraulikindustrie eingesetzt, wie Annika Wagner, Rübig GmbH & Co.KG Österreich, berichtete. Eine Kombination aus Nitrieren und Nachoxi­dieren in einem Prozess bieten einen guten Korrosions- und Verschleißschutz für Kolbenstangen. Für hohe Korrosionsanforderungen (500 Stunden im Salzsprühnebeltest) hat sich eine Kombination aus Plasmanitrieren und (Diamond-like-Carbon) DLC-Beschichtung in einem Prozess bewährt. Als chromfreie Alternativen für die Beschichtung von Kolbenstangen bieten die (Gasnitieren) GasOx-, (Plasmanitrieren) Plas­Ox– oder DLC-Beschich­tungen einen sehr guten Verschleißschutz mit guter Oberflächenbeschaffenheit hinsichtlich Rauheitskennwerte und Benetzbarkeit sowie guter bis sehr guter Korrosionsbeständigkeit.

» Fazit zahlreicherUntersuchungen ist, dass durchZulegieren von Magnesium die PVD-Schichten eine guteAlternative zu Hartchromdarstellen. «

Über die Entwicklung REACh-konformer Schichten – auf Basis von Refraktärmetallen und Magnesium mittels Magnetron-Sputtern – sprach Martin Fenker, Forschungs­institut für Edelmetalle & Metallchemie. Fazit zahlreicher Unter­suchungen ist, dass durch Zu­legieren von Magnesium die PVD-Schichten eine gute Alternative zu Hartchrom darstellen. Die Titan-Mag­nesium-Nitrid­schichten und Zir­ko­nium-Mag­nesium-­Nitrid­schichten wurden mittels Magnetron-Sputtern mit zwei Sputterquellen hergestellt. Härte und Korrosionspotentiale der Schichten hängen stark vom Mg-Gehalt ab.

Konrad Bienk, CemeCon Scandinavia A/S, Dänemark, ging in seinem Vortrag auf das PVD-Sputtern und HiPIMS als Ersatz für Hartchrom ein und stellte Anwendungen vor. HiPIMS (High Power Impulse Magnetron Sputtering/ Hochleistungs-Impuls-Magnetronsputtern) kann zwar als Ersatz verwendet werden, aber jeder Anwendungsfall muss kritisch getestet werden. So gibt es wegen der Kammergröße wesentliche technische Einschränkungen hinsichtlich Größe der Teile. Außerdem können keine Löcher beschichtet werden. HiPIMS-Magnetron Sputtern eignet sich am besten für kleine Teile. Wesentlich im Prozess sind das Fixieren der Teile, die Dosierung und das Automatisieren. Für eine gute Haftung ist eine gute Oberflächenvorbereitung erforderlich.

Rege Diskussionen auch beim Abendessen im Dresdener Sophienkeller (Foto: EFDS e.V.)Rege Diskussionen auch beim Abendessen im Dresdener Sophienkeller (Foto: EFDS e.V.)

Wie geht es weiter für Hartverchromer?

In der von Matthias Enseling, VECCO e.V., moderierten Podiumsdiskussion wurde noch einmal die gegenwärtig unsichere Situation im Umgang mit Chrom(VI) deutlich. Es ist davon auszugehen, dass Restriktionen mit wenigen Ausnahmen kommen. Die europäische Chemikalienagentur ECHA muss im Auftrag der Europäischen Kommission, einen REACh-Beschränkungsvorschlag für bestimmte Chrom(VI)-Verbindungen ausarbeiten, die derzeit auf der Zulassungsliste für besonders besorgniserregende Stoffe stehen. Am 20. April 2024 ist die Frist dafür ergebnislos verstrichen. Alle Firmen, die für Chromtrioxid vor dem „Sunset Termin“ (21.09.2017) einen Zulassungsantrag eingereicht haben, können in der Übergangsfrist weiter beschichten. Betriebe der Galvano- und Oberflächentechnik sind dennoch gut beraten, sich auf eine Substitution von Chromtrioxid vorzubereiten. Schwierig ist die Beurteilung der Chrom(VI)-freien Technologien beispielsweise im Vergleich zum bewährten Hartverchromen. Es wurde der Wunsch nach einer Checkliste geäußert. Eine Übersicht, die Anwendern Informationen zu Alternativen in Abhängigkeit von Anforderungen, Prozessbedingungen und Angaben zur Schichtdicke, Geometrie der Teile, Tribologie, Korrosionsbeständigkeit, zum Verschleißschutz etc. gibt. In der regen Diskussion wurden viele Punkte zusammengetragen. Allerdings blieb die Frage unbeantwortet, wer eine solche Liste erstellen würde.

Alles in allem war der Workshop sehr informativ, die Teilnehmer nutzten die Gelegenheit sich auszutauschen. Bei vielen besteht Unsicherheit hinsichtlich der Planbarkeit. Sie fragen sich etwa, ob herkömmliche Verfahren abgelöst werden müssen oder ob die Nachfrage nach PVD-Technologien nun steigt. Die Führung durch die Labore des Fraunhofer-Instituts für Werkstoff- und Strahltechnik IWS rundete die Veranstaltung ab und gab einen sehr guten Einblick in die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der PVD-Beschichtung.

 

  • Ausgabe: Juni
  • Jahr: 2024
  • Autoren: Dr. Claudia Bäßler
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